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22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Menschzentrierte Entwicklung eines digitalen Kapazitätsnachweissystems für die Geburtshilfe

Meeting Abstract

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  • Caroline Johanna Agricola - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hebammenwissenschaft - Versorgungsforschung und Prävention, Hamburg
  • Jan Kopetz - Universität zu Lübeck, Institut für Multimediale und Interaktive Systeme, Lübeck
  • Katja Stahl - Universität zu Lübeck, Hebammenwissenschaft, Lübeck
  • Nicole Jochems - Universität zu Lübeck, Institut für Multimediale und Interaktive Systeme, Lübeck

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf028

doi: 10.3205/23dkvf028, urn:nbn:de:0183-23dkvf0285

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Agricola et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Personelle und räumliche Engpässe in der Geburtshilfe und Neonatologie führen zu Abweisungen von Schwangeren im präferierten Kreißsaal. Für das darauffolgende Abweisungsmanagement, inklusive Vermittlung eines adäquaten Kreißsaals, gibt es in Deutschland kein standardisiertes Vorgehen. Angesichts einer fehlenden zentralen Kapazitätsdarstellung sucht das Kreißsaalpersonal momentan in bereits ausgelasteten Situationen telefonisch nach einem alternativen Kreißsaal. Die Abweisungssituation kann für Schwangere in der vulnerablen Phase der Geburt eine hohe Belastung darstellen.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Ziel der Arbeit war die nutzer:innenzentrierte Entwicklung einer Mensch-Maschine Schnittstelle (MMS) für ein digitales Nachweissystem zur zentralen Echtzeit-Darstellung der geburtshilflichen Kapazitäten. Dafür wurde untersucht, welche Prozesse hinter Abweisungen stehen, welche Anforderungen von direkten und indirekten Nutzer:innen gestellt werden und nach der Konzeption evaluiert, wie die Gestaltungslösung von Nutzer:innen bewertet wird.

Methode: Mit dem Ansatz des Human-centered Designs, bei dem die Partizipation potentieller Nutzer:innen eine elementare Rolle spielt, wurde ein Prototyp für eine MMS für ein digitales Kapazitätsnachweissystem entwickelt. Um den Nutzungskontext zu analysieren, wurden drei Fokusgruppeninterviews (n=17) mit Nutzer:innen (Hebammen, Frauenärzt:innen, Schwangere, Frauen mit Abweisungserfahrung) sowie drei Einzelinterviews (n=3) mit Domänen-Expert:innen (Rettungsdienst, Neonatologie, Krankenhausverwaltung) durchgeführt. Die Interviews wurden in Anlehnung an die thematische Analyse nach Braun und Clarke ausgewertet, Anforderungen abgeleitet und ein Low-Fidelity-Prototyp entwickelt. Dieser Prototyp wurde formativ (n=3) evaluiert und das Feedback in die Entwicklung von einem High-Fidelity-Prototyp integriert. Der High-Fidelity-Prototyp wurde abschließend summativ hinsichtlich seiner Gebrauchstauglichkeit mit dem System Usability Scale-Fragebogen untersucht.

Ergebnisse: In der Analyse wurden Prozesse von Abweisungen, Bedürfnisse der Nutzer:innengruppen in Abweisungssituationen sowie Anforderungen an neue Management-Prozesse mit einem digitalen Kapazitätsnachweissystem identifiziert, die in die Konzeption eingeflossen sind. Mit der finalen MMS kann das Personal, unter Berücksichtigung der Wünsche der betroffenen Frau (z.B. Familienzimmer), einfach und effizient einen adäquaten Kreißsaal mit freien Kapazitäten identifizieren. Die finale Gestaltungslösung wurde vom Kreißsaalpersonal (n=25) mit einer exzellenten Gebrauchstauglichkeit von 92% bewertet.

Diskussion: Ein digitales Kapazitätsnachweissystem stellt einen potentiellen Lösungsansatz dar, um Versorgungssituationen mit begrenzten Kapazitäten adäquat und nutzer:innenzentriert zu begegnen.

Implikation für die Versorgung: Die Analyse zeigt einen hohen Bedarf an ein Kapazitätsnachweissystem für ein zeiteffizientes Management von Abweisungen auf. Weitere Maßnahmen zur Verhinderung dieser sowie zur Gewährleistung einer adäquaten und wohnortnahen Versorgung werden benötigt.