gms | German Medical Science

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

04.10. - 06.10.2023, Berlin

Ein Punktesystem zur Operationalisierung der Auslastung im Kreißsaal (POAK)

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Caroline Johanna Agricola - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen (IVDP), Hebammenwissenschaft – Versorgungsforschung und Prävention, Hamburg
  • Madita Voß - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Hamburg

22. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2023. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2023. Doc23dkvf027

doi: 10.3205/23dkvf027, urn:nbn:de:0183-23dkvf0272

Veröffentlicht: 2. Oktober 2023

© 2023 Agricola et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Eine Geburt stellt eines der prägendsten Erfahrungen im Leben einer Frau dar. Die Qualität der Versorgung während der Geburt hat einen Einfluss auf die physische und psychische Gesundheit von Mutter und Kind. Die S3-Leitlinie „Vaginale Geburt am Termin“ empfiehlt eine kontinuierliche Eins-zu-eins-Betreuung von Gebärenden durch eine Hebamme. Für die klinische Geburtshilfe ist weder ein verbindlicher Personalschlüssel noch sind Grenzen der maximalen Auslastung definiert. In der Versorgungspraxis betreuen 65% der Hebammen drei oder mehr Gebärende gleichzeitig [1]. Overcrowding (Überlastungssituationen) führen zu einem kritischen Versorgungsverhältnis und können die Patient:innensicherheit gefährden.

Fragestellung und Zielsetzung, Hypothese: Angesichts fehlender Instrumente zum objektiven Erheben der Auslastung, wird die geburtshilfliche Steuerung in der Versorgungspraxis von Willkür und Subjektivität beeinflusst. In Zeiten von personellen Engpässen werden für eine vorausschauende Versorgungsplanung spezifische Instrumente benötigt. Ziel des Instruments „POAK“ ist, eine interprofessionelle und objektive Grundlage zum Berechnen der Auslastung zu schaffen. Drohende Überlastungen sollen frühzeitig identifiziert, zielgerichtet Maßnahmen zur Entlastung eingeleitet und einhergehend die Patient:innensicherheit gewährleistet werden.

Methode: Seit 2019 werden zu Beginn jedes Dienstes Frauen geburtsphasen- und risikoadaptiert mit einem Betreuungsbedarf in Punkten (1–3) klassifiziert sowie die Betreuungskapazität auf Basis der diensthabenden Hebammen (4 Punkte pro Hebamme) berechnet. Die Punkte werden in ein Versorgungsverhältnis gesetzt, sodass sich eine Auslastung in Echtzeit ergibt. Droht eine Überlastung, können Maßnahmen zur Entlastung eingeleitet oder als Ultima Ratio der Kreißsaal temporär von der Rettungsleitstelle abgemeldet werden. Bei niedriger Auslastung könnten geplante und indizierte Maßnahmen vorgezogen werden.

Ergebnisse: „POAK“ wird mittlerweile in siebzehn Kreißsälen genutzt. Seit der Implementierung haben sich Überlastungssituationen reduziert und die Zufriedenheit in der interprofessionellen Zusammenarbeit ist gestiegen. Langfristig kann das Instrument zum Monitoring von regionalen Versorgungsengpässen sowie für eine wohnortnahe Versorgungsplanung genutzt werden.

Diskussion: Das Instrument stellt eine Annäherung an eine Eins-zu-eins-Betreuung dar und kann die Qualität der Versorgung durch das Gewichten von Geburtsphasen und Risiken verbessern. Bisher hat keine wissenschaftliche Evaluation stattgefunden.

Implikation für die Versorgung: „POAK“ kann drohende Überlastungen frühzeitig identifizieren, den Arbeitsplatz Kreißsaal attraktiver gestalten, einhergehend den unbesetzten Stellen entgegenwirken sowie die interprofessionelle Zusammenarbeit fördern.


Literatur

1.
Stahl K. Arbeitssituation von angestellten Hebammen in deutschen Kreißsälen – Implikationen für die Qualität und Sicherheit der Versorgung. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2017;1725:1–9. DOI: 10.1016/j.zefq.2016.07.005 Externer Link