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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Versorgungsforschung mit pflanzlichen Arzneimitteln – die pharmako-epidemiologische Datenbank PhytoVIS

Meeting Abstract

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  • Karen Nieber - Universität Leipzig, Institut für Pharmazie, Leipzig, Deutschland; Koopereation Phytopharmaka GbR, Bonn, Deutschland
  • Detmar Jobst - Lehrstuhl für Allgemeinmedizin I und Interprofessionelle Versorgung, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland; Koopereation Phytopharmaka GbR, Bonn, Deutschland
  • Olaf Kelber - Koopereation Phytopharmaka GbR, Bonn, Deutschland; Steigerwald Arzneimittelwerk GmbH, Research & Development, Bayer Consumer Health, Darmstadt, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf480

doi: 10.3205/22dkvf480, urn:nbn:de:0183-22dkvf4809

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Nieber et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Pflanzliche Arzneimittel (PAM) sind im Rahmen der apothekengestützten Selbstmedikation ein wichtiger Teil der eigenverantwortlichen Versorgung mit Arzneimitteln. Erfahrungen zur Anwendung sowie zu Nutzen und Risiken von PAM können durch adäquate Methoden gewonnen werden. Da gegenwärtig nur wenige Anwendungsdaten vorliegen, wurde das PhytoVIS Projekt, die weltweit wohl größte pharmako-epidemiologische Anwendungsbeobachtung über die Verwendung von PAM durchgeführt [1].

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel war es, Anwendungsdaten zu PAM in produktübergreifender, indikationsbezogener Weise in Apotheken und Arztpraxen zu generieren und die Erfahrung im Rahmen der (Selbst)-Behandlung zu dokumentieren und auszuwerten.

Methoden: Die Daten wurden mittels einer retrospektiven, anonymen, einmaligen Befragung in Apotheken und ambulanten medizinischen Einrichtungen, insbesondere Arztpraxen erhoben. Der Survey umfasste 20 Fragen mit Angaben zu Beschwerden/Erkrankungen, Medikamenten, Begleitumständen/-erkrankungen sowie grundlegenden epidemiologischen Daten. Einschlusskriterien waren die Einnahme eines PAM in den letzten acht Wochen vor der Befragung und die Bereitschaft zum Interview. Die Daten wurden explorativ mittels IBM SPSS Statistics for Windows (Version 22.0) ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 24.056 Datensätze erfasst. Es wurden insgesamt 1.433 Anwendungen von PAM genannt. Der Anteil der Frauen betrug 67,3%, davon waren 1,5% schwanger und 1% stillte. Der Anteil der Befragten im Alter von 18 bis 30 Jahren betrug 25,5%, zwischen 31 und 50 Jahre 29,2%; 5,7% waren über 75 Jahre alt. Angaben zu Säuglingen (0–23 Monate) betrugen 1,3%, die zu Kleinkindern (2–5 Jahre) 2,2%. Insgesamt wurden 483 Beschwerden bzw. Erkrankungen als Grund für die Anwendung der PMA genannt. Führend waren Erkältungskrankheiten, gefolgt von Schlafstörungen, Harnwegsinfekten, gastrointestinalen Beschwerden und Unruhezustände. Bevorzugte Darreichungsformen waren Tees, Tabletten, Tropfen und Kapseln. Insgesamt ca. 84% der Befragten bestätigten eine sehr gute oder deutliche Wirkung. Gravierende Nebenwirkungen (UAW) wurden nicht angegeben. Geringe UAW wurden in 1,7% der Fälle beschrieben.

Diskussion: Der Fokus von PhytoVIS liegt auf der Erfahrung von Patienten mit PAM. Kinder, Ältere sowie Schwangere und Stillende sind mit kleinen, aber repräsentativen Fallzahlen vertreten. So liegen z.B. für Kinder insgesamt 2063 auswertbare Datensätzen vor. Die Daten zu diesen Gruppen können spezifisch ausgewertet werden [2].

Praktische Implikationen: Die PhytoVIS Daten geben erstmals einen vertieften Überblick über die Anwendung von PMA in Deutschland. Die Stärke der Studie liegt in der systematischen Erfassung pharmako-epidemiologischer Daten mit breiten Einschlusskriterien, die einen Fundus an Informationen zur Anwendung von PAM in der tagtäglichen Praxis darstellen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Die Anwendung von PAM bei häufigen, aber weniger gravierenden Erkrankungen zeigt gute Wirkungen bei einer eigenverantwortlichen Medikation mit sehr geringen UAW.


Literatur

1.
Wegener T, Nieber K, Kraft K, Siegmund S, Kelber O, Jobst D, Steinhoff B. Versorgungsforschung mit pflanzlichen Arzneimitteln Die pharmako-epidemiologische Datenbank PhytoVIS. Pharmind. 2021; 83(3): 416–23.
2.
Nieber K, Raskopf E, Möller J, Kelber O, Fürst R, Shah-Hosseini K, Singh J, Kraft K, Mösgens R. Pharmaco-epidemiological research on herbal medicinal products in the paediatric population: data from the PhytoVIS study. Eur J Pediatr. 2020 Mar;179(3):507-12. DOI: 10.1007/s00431-019-03532-3 Externer Link