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Zweitmeinungsbedarfe in der Onkologie: Eine qualitative Studie mit Brustkrebspatient:innen
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Veröffentlicht: | 30. September 2022 |
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Hintergrund und Forschungsstand: In Deutschland besteht kein einheitliches Verfahren für Brustkrebspatient:innen eine Zweimeinung (ZM) zu erhalten. Bisherige Forschungsergebnisse zeigen, dass Patient:innen vielfach nicht von der Möglichkeit einer ZM wissen, aber Interesse zur Inanspruchnahme besteht (Groß et al. 2017). Weitere Studien zeigen unerfüllte Informationsbedarfe bei Brustkrebspatient:innen, die sich im Verlauf der Krebsbehandlung ändern (Halbach et al. 2016).
Fragestellungen:
- Inwiefern ist die ZM ein geeignetes Verfahren, um zusätzliche Informationsbedürfnisse von Brustkrebspatient:innen zu befriedigen?
- Welche Vor- und Nachteile bestehen bei unterschiedlichen Formen der ZM?
- In welchen Behandlungsstadien ist eine ZM besonders erwünscht?
- Welche Voraussetzungen müssen sowohl auf individueller als auch auf systemischer Ebene zur Inanspruchnahme einer ZM erfüllt sein?
Methode: Die Untersuchung ist in zwei Phasen aufgebaut: in einem ersten Schritt wurden 16 Interviews mit Brustkrebspatient:innen durchgeführt. Nach einer Zwischenauswertung wurden insbesondere die Fragen nach den strukturellen sowie individuellen Voraussetzungen einer ZM in zwei Fokusgruppen vertieft. Die Rekrutierung erfolgte über Frauenselbsthilfe-Gruppen. Die qualitativen Daten wurden transkribiert und werden derzeit mittels induktiver thematischer Analyse ausgewertet.
Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen, dass die subjektiven ZM-Bedarfe sehr unterschiedlich und in allen Behandlungsstadien potentiell relevant sind. Die Wege eine ZM in Anspruch zu nehmen sind sehr unterschiedlich und erfolgen teilweise über persönliche Netzwerke. Telemedizinische Angebote werden unterschiedlich bewertet: einerseits positiv als Überbrückung von Versorgungsdefiziten (Terminschwierigkeiten, lange Anfahrt und Wartezeiten), andererseits negativ aufgrund des subjektiv erschwerten Aufbaus einer Vertrauensbeziehung. Gründe, keine ZM in Anspruch zu nehmen, sind u.a. negative Gründe wie der Diagnose-Schock als auch positive Gründe wie ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis. Ein emotional stützender Kontext wird sowohl bei der Erstmeinung als auch bei der ZM als bedeutsam erachtet: die Informationsvermittlung ist an das emotionale Befinden und eine empathische Interaktion geknüpft.
Diskussion: Informationsbedarfe von Brustkrebspatient:innen werden auf vielfältige Weise erfüllt oder nicht (ausreichend) erfüllt. Eine ZM kann dabei u.U. Informationslücken schließen. Neben den sachlichen Informationen spielen emotionale und psychosoziale Unterstützungen eine bedeutsame Rolle. Die qualitativen Daten deuten darauf hin, dass bei einer qualifizierten Erstmeinung mit einem vertrauensvollen Arzt-Patienten-Kontakt und emotionaler Unterstützung sich der Bedarf einer ZM verringert.
Praktische Implikationen: Neben sachlicher Informationsvermittlung sind emotionale und psychosoziale Unterstützungsbedarfe zu berücksichtigen, die sich auch auf die Inanspruchnahme einer ZM auswirken.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: ZM-Angebote für Brustkrebspatient:innen sollten flexibel sein und in unterschiedlichen Behandlungsstadien ermöglicht werden.
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF18014