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„Das war ein Türöffner“ – Gespräche über Todeswünsche in der Palliativversorgung aus Sicht von Patient:innen, ihren Zugehörigen und Versorgenden
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Veröffentlicht: | 30. September 2022 |
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Hintergrund: Patient:innen in der Palliativversorgung entwickeln im Krankheitsverlauf häufig vorübergehende oder andauernde Todeswünsche. Versorgende, die damit konfrontiert werden, geben jedoch oft Unsicherheit im Umgang damit an. Um dem zu begegnen, wurde in einem Forschungsprojekt ein Gesprächsleitfaden entwickelt und in ein Schulungskonzept implementiert [1].
Fragestellung: Wie nahmen Patient:innen und geschulte Versorgende gemeinsam geführte Gespräche über Todeswünsche wahr und wie waren Zugehörige darin eingebunden?
Methode: Im Rahmen einer mehrphasigen Mixed Methods-Studie wurden multiprofessionelle Versorgende mit Hilfe eines Gesprächsleitfadens im Umgang mit Todeswünschen geschult. Anschließend führten sie Gespräche über Todeswünsche mit Patient:innen aus ihrer Praxis. Neben einer quantitativen Evaluation dieser Gespräche [2] wurde ein Sub-Sample von Patient:innen sowie ihre Zugehörigen und Versorgenden auch zur Teilnahme an semi-strukturierten Einzelinterviews eingeladen. Die so erhobenen Daten wurden qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet.
Ergebnisse: In Interview-Triaden mit jeweils 13 Patient:innen, Zugehörigen, und Versorgenden (N=39) konnten verschiedene Strategien, Inhalte sowie fördernde und beeinträchtigende Faktoren in Bezug auf Todeswunsch-Gespräche identifiziert werden. Die Analyse drei verschiedener Perspektiven auf die geführten Gespräche brachte daneben auch folgende Befunde:
- 1.
- Die Mehrheit der Patient:innen nahm die Todeswunsch-Gespräche nicht als solche wahr oder erinnerte sich nicht daran, auch dann, wenn Todeswünsche laut der Versorgenden explizit besprochen wurden.
- 2.
- Zugehörige waren kaum in die Kommunikation über Todeswünsche eingebunden und erlebten die Versorgenden nur am Rande mit.
Diskussion: Patient:innen nahmen Todeswunsch-Gespräche oft gar nicht als solche wahr; möglicherweise, weil
- 1.
- sie ein engeres Verständnis von Todeswünschen hatten als die Versorgenden (z.B. Todeswunsch als akute Suizidalität),
- 2.
- Versorgende sich dem Thema zurückhaltend näherten,
- 3.
- in den Gesprächen auch andere Themen aufgegriffen wurden, oder
- 4.
- Patient:innen die Gespräche als wenig belastend erfuhren.
Auch zeigen die Interviewergebnisse, dass Zugehörige durch Versorgende eher wenig in die Begleitung eingebunden sind – obwohl sich Zugehörige oftmals mehr Einbindung wünschen.
Praktische Implikationen: Das proaktive Ansprechen von Todeswünschen scheint von Patient:innen nicht als belastend, sondern als Teil der Kommunikation mit ihren Versorgenden wahrgenommen zu werden. Zugehörige werden in Bezug auf diese Thematik bisher wenig einbezogen.
Appell für die Praxis in einem Satz: Versorgende können mit größerer Sicherheit Todeswünsche in Gesprächen anbringen, dabei auch vermehrt Zugehörige miteinbeziehen und so dazu beitragen, ein offenes Gesprächsklima zwischen den Beteiligten zu schaffen.
Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc); 01GY1706
Literatur
- 1.
- Kremeike K, Galushko M, Frerich G, Romotzky V, Hamacher S, Rodin G, Pfaff H, Voltz R. The DEsire to DIe in Palliative care: Optimization of Management (DEDIPOM) - a study protocol. BMC Palliat Care. 2018 Feb;17(1):30. DOI: 10.1186/s12904-018-0279-3
- 2.
- Voltz R, Boström K, Dojan T, Rosendahl C, Gehrke L, Shah-Hosseini K, Kremeike K. Is trained communication about desire to die harmful for patients receiving palliative care? A cohort study. Palliat Med. 2022 Mar;36(3):489-97. DOI: 10.1177/02692163211065671