gms | German Medical Science

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Psychiatrieberichterstattung: Datenbasis für evidenzbasierte Versorgungsstrategien in Niedersachsen

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Constance Stegbauer - aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Evaluation und Implementierungsforschung, Göttingen, Deutschland
  • Ruth Lingnau - aQua-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH, Evaluation und Implementierungsforschung, Göttingen, Deutschland
  • Anke Bramesfeld - Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, Referat 406 (Psychiatrie), Hannover, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf427

doi: 10.3205/22dkvf427, urn:nbn:de:0183-22dkvf4278

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Stegbauer et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Eine gute und vernetzte Versorgung vor Ort ist essenziell, um Krisen von Menschen mit psychischen Erkrankungen vorzubeugen, frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Das Land Niedersachsen hat nun als eines der ersten Bundesländer eine regelmäßige Psychiatrieberichterstattung implementiert.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Psychiatrieberichterstattung Niedersachsen ist eine kontinuierliche Erfassung der regionalen Versorgung, ihr Vergleich und eine transparente Berichterstattung. Hiermit soll eine solide Datenbasis für eine gezielte Weiterentwicklung der Versorgung geschaffen werden.

Methode oder Hypothese: Die retrospektive, webbasierte Datenerfassung erfolgt halbjährlich durch die an der Pflichtversorgung nach dem Landespsychiatriegesetz beteiligten Kliniken und Abteilungen der Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie zu den Unterbringungen nach diesem Gesetz sowie jährlich durch die Kommunen zur Arbeit der sozialpsychiatrischen Dienste (SpDi). Die Daten werden deskriptiv und vergleichend sowohl auf Klinik- als auch Kommunenebene ausgewertet. Es werden individuelle Berichte mit Benchmarks zur Verfügung gestellt; alle zwei Jahre wird zudem ein Gesamtbericht zur Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Niedersachsen veröffentlicht.

Ergebnisse: Alle 27 Kliniken sowie 36 der 44 Kommunen erfassten Daten für das Jahr 2020. 35 SpDi betreuten insgesamt 43.806 Menschen mit psychischen Erkrankungen. In 34 SpDi arbeiteten Personen im Umfang von knapp 333 Vollzeitäquivalenten, wobei etwa zwei Drittel weiblich und die Mehrheit (64,6%) Sozialpädagogen oder Sozialarbeiter waren. 33 SpDi leisteten 3.238 aufsuchende Kriseneinsätze, wobei in circa zwei Drittel eine Unterbringung vermieden wurde. In den 27 Kliniken wurden 8.466 der 66.227 entlassenen Fälle zumindest zeitweise nach §§ 17 oder 18 NPsychKG untergebracht. Dies entspricht im Durchschnitt 100,12 Fällen je 100.000 Einwohner (EW) (Range: 29,07 bis 314,42). Bei 28,85 % der entlassenen Fälle mit Unterbringung nach § 17 NPsychKG kam mindestens eine besondere Sicherungsmaßnahme zum Einsatz.

Diskussion: Die vergleichende Auswertung der Versorgungsdaten (v.a. Einweisungen je 100.00 EW, Krisendienst, besondere Sicherungsmaßnahmen) zeigt, dass die Krisenintervention in einigen Kommunen und Kliniken gestärkt werden muss. Ein Schwerpunkt sollte auch auf die Zusammenarbeit im Sozialpsychiatrischen Verbund mit Leistungsträgern, Psychiatrieerfahrenen und Angehörigen sowie niedergelassenen Ärzten und Therapeuten gelegt werden.

Praktische Implikationen: Diese Form der Landespsychiatrieberichterstattung zeigt auf, in welchen Kommunen und Kliniken und an welchen Stellen die Versorgung von Menschen mit insbesondere schweren psychischen Erkrankungen weiterentwickelt werden sollte.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Eine solide Datenbasis, zu der alle Kliniken und Kommunen mit einer zuverlässigen Datenerfassung beitragen, ist notwendig, um die Versorgung von Menschen mit schweren psychischen Erkrankungen zu fördern.

Förderung: Sonstige Förderung; Auftragsarbeit