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Wirksamkeit und Sicherheit eines evidenzbasierten Versorgungspfades zur Verbesserung von Mobilität und Teilhabe für ältere Patient*innen mit Schwindel- und/oder Gleichgewichtsstörungen in der Primärversorgung
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Veröffentlicht: | 30. September 2022 |
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Hintergrund und Stand der Forschung: Schwindel- und/oder Gleichgewichtsstörungen (vertigo, dizziness and balance disorders - VDB) gehören zu den häufigsten Beschwerden bei älteren Menschen in der klinischen Praxis und beeinflussen die Mobilität und Teilhabe der Betroffenen. Aufgrund der multifaktoriellen Ursachen von VDB sind sowohl Diagnostik als auch Behandlungsentscheidungen herausfordernd. Zudem werden VDB als normale Alterserscheinung abgetan. Um die Versorgung von älteren Menschen mit VDB zu verbessern, wurde ein evidenzbasierter, multidisziplinärer Versorgungspfad (care pathway - CPW) als komplexe Intervention im Sinne der Richtlinie des UK Medical Research Council entwickelt und pilotiert.
Ziel: In dieser Studie werden die Wirksamkeit und Sicherheit des CPW im Hinblick auf die Verbesserung der Mobilität und Teilhabe bei älteren Menschen mit VDB in der Primärversorgung evaluiert. Darüber hinaus sollen erste Erkenntnisse zur Kosten-Effektivität des CPW gewonnen werden.
Methode: Die cluster-randomisierte kontrollierte Studie wird seit Oktober 2021 in zwei Zentren in Deutschland durchgeführt. In 12 Hausarztpraxen (Cluster) sollen 120 Personen über 60 Jahre mit VDB rekrutiert werden.
In der Interventionsgruppe wird der entwickelte CPW implementiert, welcher im Kern aus einer standardisierten Entscheidungshilfe für Hausärzt*innen und einem Decision Tree für Physiotherapeut*innen besteht und in Form von Schulungen vermittelt wird. Die Intervention wird mit der optimierten Standardversorgung verglichen, welche durch eine Fortbildung der Hausärzt*innen zur Leitlinie „Akuter Schwindel in der Hausarztpraxis“ realisiert wird. Die Auswirkungen von VDB auf Mobilität und Teilhabe von älteren Menschen werden mit dem Dizziness Handicap Inventory (primäres Outcome) vor der Intervention, nach vier Monaten und sechs Monaten erhoben. Sekundäre Endpunkte sind körperliche Aktivität (mittels Aktigraphie), Gleichgewicht, Stürze, Sturzangst und Lebensqualität. Veränderungen des Aktivitätsverhaltens der Teilnehmenden sowie Barrieren, Förderfaktoren und Wirkmechanismen der Implementierung werden mit einer umfassenden Prozessevaluation im Mixed-Methods-Design untersucht. Zudem wird eine gesundheitsökonomische Evaluation durchgeführt.
Diskussion: VDB beeinträchtigen die Mobilität und Teilhabe von älteren Menschen und stellen aufgrund der Multikausalität eine komplexe und multidisziplinäre Versorgungsaufgabe dar. Ein CPW, bei dem Hausärzt*innen als Gatekeeper fungieren, wird hierfür in die Versorgung implementiert und in einer cluster-randomisierten kontrollierten Studie auf Wirksamkeit und Sicherheit überprüft.
Praktische Implikationen: Bei positivem Wirksamkeitsnachweis bietet der CPW für an der Versorgung von älteren Menschen mit VDB beteiligte Gesundheitsfachpersonen eine evidenzbasierte Richtlinie, um eine bedarfsgerechte Versorgung zu planen und umzusetzen.
Appell für die Praxis in einem Satz: Der Fokus muss darauf gerichtet werden, dass die Primärversorgung von älteren Menschen mit VDB durch den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis verbessert und VDB im Alter nicht als nicht-behandlungsbedürftige Alterserscheinung angesehen wird.
Förderung: BMBF-Strukturförderung Versorgungsforschung; 01GY1913C