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Digitale Gesundheitsanwendungen – zwischen Anspruch und Wirklichkeit
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Veröffentlicht: | 30. September 2022 |
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Hintergrund: Für die Verschreibungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA) in der gesetzlichen Krankenversicherung muss mittels einer quantitativen vergleichenden Studie ein positiver Versorgungseffekt (pVE) nachgewiesen worden sein. Dieser pVE kann als medizinischer Nutzen (mN) oder als patientenrelevante Struktur- und Verfahrensverbesserung (pSVV) erbracht werden. Nach erfolgreichem Nachweis wird die Anwendung in das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgenommen [1]. Bisher fehlt es an Forschung hinsichtlich der Evidenzbasis, die den im Verzeichnis gelisteten Anwendungen zugrunde liegt.
Zielsetzung: Ziel ist es, einen Abgleich der im Leitfaden des BfArM geforderten Evidenz an die Studien mit deren tatsächlicher Umsetzung im DiGA-Verzeichnis zu schaffen.
Methode: Es wurden Informationen zu Studienpopulationen, pVE, primären/sekundären Endpunkten sowie deren Operationalisierung, Studienergebnissen, Studiendesigns, Beobachtungsdauern, Erhebungszeitpunkten und Fallzahlen aus dem DiGA-Verzeichnis extrahiert. Fehlende Informationen wurden mittels einer Handsuche über Publikationen und Studienregister ergänzt. Es erfolgte eine Qualitätssicherung der extrahierten Daten nach dem Vier-Augen-Prinzip. Die gesammelten Informationen wurden deskriptiv ausgewertet.
Ergebnisse: Insgesamt zeigen 29 von 30 DiGA (05.04.2022) den pVE in Form eines mN anhand der Verbesserung des Gesundheitszustands als primären Endpunkt. Zehn Anwendungen streben zusätzlich eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (QoL) an und eine Anwendung zielt zusätzlich auf eine Verkürzung der Krankheitsdauer ab. Sieben DiGA weisen zusätzlich eine pSVV nach. Eine vorläufig gelistete DiGA strebt einen pVE über eine pSVV in Form einer verbesserten Gesundheitskompetenz an. Den Nachweis des pVE erbringen alle DiGA ausschließlich über eine randomisierte, kontrollierte Studie (RCT).
Diskussion: Der DiGA-Leitfaden ermöglicht es, den Nutzennachweis anhand medizinischer Endpunkte und über Verbesserungen von Versorgungsprozessen zu erbringen [1]. Die deskriptive Analyse zeigt, dass alle außer eine DiGA einen klassischen mN in Form einer Verbesserung des Gesundheitszustands nachweisen, obwohl der Leitfaden ein breites Spektrum an pVE für die Nutzenbewertung zulässt. Die Auswahl der pSVV ist heterogen. Als Mindestanforderung an das Studiendesign gilt eine retrospektive vergleichende Studie [1]. Alle DiGA führen eine RCT – und damit eine Einzelstudie mit dem höchstmöglichen Evidenzgrad – durch, obwohl auch ein weniger aufwändiges Design zum Nutzennachweis ausreichend wäre.
Praktische Implikationen: In Hinblick auf den Nachweis eines pVE erfüllen die gelisteten DiGA höhere Anforderungen als im Leitfaden vorgegeben.
Appell für die Praxis: Anwendungen, die einen mN mittels eines RCT-Studiendesigns nachweisen, scheinen die höchste Wahrscheinlichkeit für eine Listung im DiGA-Verzeichnis zu haben.