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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

„Nachweisen“, „Erkämpfen“ und „immer wieder von Null anfangen“ – Herausforderungen in der Hilfsmittelversorgung aus Nutzer*innensicht und die Rolle der Medizinischen Zentren für Erwachsene mit Behinderung (MZEB)

Meeting Abstract

  • Jana Stucke - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Stiftungsprofessur Rehabilitationswissenschaften/Rehabilitative Versorgungsforschung, Bielefeld, Deutschland
  • Christine Thienel - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Stiftungsprofessur Rehabilitationswissenschaften/Rehabilitative Versorgungsforschung, Bielefeld, Deutschland
  • Cornelia Weiß - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Stiftungsprofessur Rehabilitationswissenschaften/Rehabilitative Versorgungsforschung, Bielefeld, Deutschland
  • Martina Fier - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Stiftungsprofessur Rehabilitationswissenschaften/Rehabilitative Versorgungsforschung, Bielefeld, Deutschland
  • Kristina Ottersbach - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Stiftungsprofessur Rehabilitationswissenschaften/Rehabilitative Versorgungsforschung, Bielefeld, Deutschland
  • Thorsten Meyer - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Stiftungsprofessur Rehabilitationswissenschaften/Rehabilitative Versorgungsforschung, Bielefeld, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf396

doi: 10.3205/22dkvf396, urn:nbn:de:0183-22dkvf3964

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Stucke et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Eine bedarfsgerechte Hilfsmittelversorgung (HV) ist eine zentrale Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, stellt im Kontext der medizinischen Versorgung von Menschen mit Mehrfachbehinderungen jedoch eine zentrale Herausforderung dar [1].

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel des Projektes MeZEB ist es, die aktuelle ambulante medizinische Versorgung der Zielgruppe sowie Veränderungen dieser im Zuge der Einführung von MZEB zu analysieren. Dargestellt werden Teilergebnisse zur Frage, welche Herausforderungen Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen im Rahmen der HV erleben und welche Rolle MZEB dabei einnehmen können.

Methode: Offene Interviews (n=61) und Fragebogenerhebungen (n=107) mit 24 bzw. 18 Monats-Follow-up, werden ergänzt durch Beobachtungen, Gruppendiskussionen (n=3) und Expert*inneneninterviews (n=12). Die Fragebögen wurden deskriptiv, die leitfadengestützten Interviews und die Beobachtungen primär inhaltsanalytisch ausgewertet und trianguliert.

Ergebnisse: 97% der Teilnehmenden besitzen zwischen 1–17 Hilfsmittel (Median= t0:4, t1:6). Hemmende Faktoren aus Nutzer*innensicht sind u. a. fehlendes Wissen der Versorgenden über Produkte, hoher bürokratischer Aufwand bei der Durchsetzung ggü. dem Kostenträger sowie eine am Standardfall orientierte Beratung der Hilfsmittelanbieter. Nutzer*innen berichten zudem von diskriminierenden Erfahrungen. Sie erleben, dass wirtschaftliche Ziele zulasten ihrer individuellen Bedürfnisse in den Vordergrund gestellt werden. Ein MZEB kann den Prozess der Durchsetzung einer bedarfsgerechten HV, je nach fachlicher Ausrichtung, durch (interdisziplinäre) Expertise, gemeinsame Anpassungstermine mit Hilfsmittelanbietern, Argumentation ggü. Kostenträgern und der Koordination des Prozesses unterstützen. Damit bietet das MZEB insbesondere eine bürokratische und emotionale Unterstützung

Diskussion: Probleme der HV von Menschen mit Mehrfachbehinderungen wurden auch in unserem Projekt deutlich. Das MZEB hat das Potenzial, hier eine starke unterstützende Rolle zu übernehmen. Um die Perspektiven zu vervollständigen, sollten zusätzlich zu Nutzer*innen, Angehörigen und MZEB-Mitarbeitenden auch die Erfahrungen der Ärzt*innen der Regelversorgung und der HV-Anbieter integriert werden.

Praktische Implikationen: MZEB können den Herausforderungen einer bedarfsgerechten HV zwar begegnen und die Rolle von Beratern, Fürsprechern und Managern einnehmen. Jedoch sind die MZEB nicht flächendeckend verfügbar und in ihrer fachlichen Ausrichtung und ihrem Leistungsangebot sehr heterogen, sodass nicht jedes MZEB dies leisten kann.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Zum einen kann das MZEB in der HV für die Betroffenen eine wichtige Rolle spielen und sollte darin gestärkt werden, zum anderen muss die bedarfsgerechte HV auch für die Betroffenen ohne Anbindung an ein MZEB sichergestellt werden.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung


Literatur

1.
BMAS. Dritter Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen: Teilhabe – Beeinträchtigung – Behinderung. Bonn; 2021.