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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Inanspruchnahme der Notfallversorgung im Nordwesten Deutschlands – Unterschiede nach Alter, Geschlecht, Bildung und medizinisch-pflegerischer Tätigkeit

Meeting Abstract

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  • Insa Seeger - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Oldenburger Forschungsnetzwerk für Notfall- und Intensivmedizin, Oldenburg, Deutschland
  • Stefan Thate - Berufsfeuerwehr Stadt Oldenburg, Oldenburg, Deutschland
  • Lena Ansmann - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland
  • Johanna Sophie Lubasch - Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Department für Versorgungsforschung, Organisationsbezogene Versorgungsforschung, Oldenburg, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf394

doi: 10.3205/22dkvf394, urn:nbn:de:0183-22dkvf3946

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Seeger et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mangelnde Kenntnisse über die Zuständigkeiten der Notfallversorgung führen zu einem höheren Bedarf an Notfall-Ressourcen: Bis zu 80% der Notaufnahmepatienten suchen die Krankenhäuser eigenständig auf – aus medizinischer Sicht besteht bei der Hälfte der Patienten nur eine geringe Dringlichkeit. Im Rettungsdienst werden ca. 10% der Notfalleinsätze ohne Nutzung von Sonderrechten gefahren und die Anzahl ambulanter Behandlungen nimmt zu. Ansätze zur Steuerung der Patienten existieren mit der Notrufnummer 112 und der Rufnummer 116117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes (ÄBD), aber letztendlich können die Patienten eigenständig die aus ihrer Sicht angemessene Versorgungsebene wählen. Stichprobenbefragungen zeigen, dass die deutsche Bevölkerung nicht ausreichend über die Zuständigkeiten in der Notfallversorgung informiert ist.

Fragestellung und Zielsetzung: Mit dieser Studie soll untersucht werden, ob sich die Inanspruchnahme und das Verhalten in Notfällen nach soziodemografischen Faktoren unterscheiden lässt.

Methode: Von Januar bis Juli 2021 wurde eine anonyme schriftliche Befragung von über 4.000 Besuchern eines Großstadt-Impfzentrums durchgeführt. Der Fragebogen umfasste Fragen zur Inanspruchnahme der Notfallversorgung sowie Fragen zur Selbsteinschätzung des eigenen Verhaltens in Notfällen und die Frage nach der Rufnummer des ÄBD. Alter, Geschlecht und höchster Schulabschluss wurden ebenfalls erfasst. Sonder-Impftagen für medizinisch-pflegerisches Personal ermöglichten eine gesonderte Betrachtung der Stichprobe.

Ergebnisse: Von allen Befragten hatten in den Jahren 2018 bis 2020 15,1% Kontakt zum Rettungsdienst, 18,1% Kontakt zum ÄBD und 27,5% suchten eine Notaufnahme auf. Weibliche Befragte hatten häufiger Kontakt zum ÄBD (19,6% bzw. 15,6%), jüngere Befragte suchten häufiger die Notaufnahme aus Eigeninitiative auf (72,1% bzw. 13,2%). Bei Erkältungssymptomen am Samstagnachmittag würden sich 9,9% der Befragten an die Notaufnahme und 75,1% an den ÄBD wenden. Bei Schlaganfall-Symptomen würden sich 10% der Befragten mit höherem Schulabschluss und 25% der Befragten mit niedrigem Schulabschluss zuerst an den Hausarzt wenden. Im Notfall konnten sich 76,4% der Befragten eine erste ärztliche Beratung per Telefon oder Video vorstellen.

Die Rufnummer des ÄBD konnte 22,9% der allgemeinen Bevölkerung und 54,7% des medizinisch-pflegerischen Personals korrekt wiedergeben.

Diskussion: Im deutschen Gesundheitssystem sind alle an der Notfallversorgung beteiligten Einrichtungen jederzeit ohne vorherige Kontrollinstanz frei zugänglich. Um die „richtige“ Institution zu wählen, muss die Bevölkerung ausreichend über Ressourcen und Zuständigkeiten informiert sein. Die vorliegende Studie unterstreicht, dass sich soziodemografische Faktoren auf die Nutzung der Ressourcen der Notfallrettung auswirken. Aufklärungsaktionen, frühzeitige Wissensvermittlung, ein gemeinsames Notfall-Leitsystem sowie eine telemedizinische Beratung bei niedrigschwelligen Einsätzen könnten zu einer Entlastung des Gesundheitssystems beitragen.