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Vertragsärztliche Versorgung in stationären Pflegeeinrichtungen in Nordrhein – Ergebnisse einer Routinedaten-Analyse
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Veröffentlicht: | 30. September 2022 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Zahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland ist in den letzten zehn Jahren von 2,2 auf 4,3 Mio. angewachsen. Hiervon wurden zuletzt 16% in vollstationären Pflegeeinrichtungen versorgt. Neben einem hohen Versorgungsbedarf zeigt die aktuelle Forschung eine starke regionale Varianz in den Versorgungsstrukturen.
Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der Analyse ist es, Struktur und Dichte der ärztlichen Versorgung von Pflegeheimbewohner*innen in Nordrhein zu beschreiben und Anhaltspunkte für die Bewertung von Versorgungsbedarf und -qualität zu liefern.
Methode: Die Analyse basiert auf Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein der Jahre 2017 - 2020. Der Auswertungsdatensatz umfasste 1.143 vollstationäre Pflegeheime mit rund 51.400 Bewohner*innen. Diagnosedaten nach M2Q-Kriterium sowie tagesgenaue Leistungsdaten wurden deskriptiv ausgewertet. Ferner wurden mit Hilfe einer Netzwerkanalyse regionale Unterschiede des Versorgungsgeschehens ermittelt.
Ergebnisse: Die Zahl der Pflegeheimbewohner*innen ist im beobachteten Vierjahreszeitraum um 37% angestiegen. Der überwiegende Teil der Bewohner*innen ist multimorbide (94%), wobei Hypertonie, Demenz/Alzheimer und Harninkontinenz zu den häufigsten Diagnosen zählen. Ebenso hat sich die Zahl der Vertragsärzt*innen mit einer Pflegeheimkooperation gemäß §119b SGB V im Analysezeitraum verzehnfacht. Überwiegend an der Versorgung beteiligt sind Hausärzte (45%), Orthopäden/Chirurgen (9%), Gynäkologen (8%) und fachärztliche Internisten (7%). Pro Quartal finden durchschnittlich 9,8 ambulante Arztkontakte je Bewohner*in statt, etwa die Hälfte davon im Rahmen eines Hausbesuches.
Diskussion: Während die Zahl der Pflegeheimbewohner*innen und damit der Behandlungsbedarf in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen ist, stagnieren die zur Verfügung stehenden zeitlichen Ressourcen der versorgenden Ärzt*innen. Die individuelle Kontakthäufigkeit zwischen Heimbewohner*innen und behandelnden Ärzt*innen hat trotz steigender Fallzahlen nicht abgenommen. Dies gilt sowohl für haus- als auch für fachärztliche Kontakte. Zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung hat de facto also eine erhebliche Leistungsausweitung stattgefunden.
Praktische Implikationen: Es ist zu erwarten, dass die Zahl der Pflegeheimbewohner*innen in den kommenden Jahren weiter zunimmt. Der erhöhte Versorgungsaufwand erfordert einen bestmöglichen Einsatz der begrenzten personellen und zeitlichen Ressourcen. Gefragt sind deshalb ein intelligenter Ausbau koordinierter Versorgungskonzepte, der vermehrte Einsatz von nichtärztlichen Praxisassistent*innen für delegierbare Tätigkeiten sowie die Förderung telemedizinischer Angebote.
Appell für die Praxis: Zur Sicherung einer gleichbleibenden Qualität bei der ambulanten Behandlung von Pflegeheimbewohner*innen sind eine stärkere Koordination des Versorgungsgeschehens sowie eine vermehrte Delegation ärztlicher Tätigkeiten unabdingbar.