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Routinedatenanalyse zum Einsatz von Videosprechstunden in der ambulanten ärztlichen Versorgung
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Veröffentlicht: | 30. September 2022 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Insbesondere in ländlichen Regionen wird eine angemessene ambulante Versorgung durch eine geringere Arztdichte und lange Anfahrtswege erschwert. Aber auch städtische Regionen können bspw. durch steigende Wartezeiten von Versorgungsdefiziten betroffen sein. Ein Versorgungsmodell, das Abhilfe schaffen soll, ist die Durchführung von Videosprechstunden.
Fragestellung und Zielsetzung: Mit der hier vorgestellten Routinedatenanalyse sollen der Einsatz von Videosprechstunden sowie die Charakteristika der Nutzergruppen erhoben werden.
Methode oder Hypothese: Um die Perspektiven der Versicherten und Leistungserbringer*innen vollständig abbilden zu können, werden Routinedaten der am Projekt beteiligten Krankenkassen (Techniker Krankenkasse, AOK Nordost, AOK NordWest) und Kassenärztlichen Vereinigungen für die Regionen Westfalen Lippe, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Berlin für den Zeitraum April 2017 bis Ende 2020 herangezogen. Neben Daten zur Inanspruchnahme von Videosprechstunden werden Versichertenstamm- und Diagnosedaten einbezogen. In der Analyse der KV-Daten sollen zudem typische Arztgruppen und soziodemographische Merkmale der Leistungserbringer*innen ermittelt werden. Auch der Einfluss des Wohn- bzw. Praxisstandortes auf die Nutzung von Videosprechstunden wird untersucht. Es werden deskriptive Analysen, differenziert nach Subgruppen (Versicherte: Altersklasse, Geschlecht, Erwerbsstatus, Regionstyp; Leistungserbringer*innen: Facharztgruppe, Altersklasse, Geschlecht, Betriebsform und Anstellungstätigkeit, Regionstyp), durchgeführt.
Ergebnisse: In den Jahren 2017 bis 2019 spielte die Videosprechstunde nahezu keine Rolle in der ambulanten Versorgung. Erst seit Beginn der Covid-19-Pandemie ist die Inanspruchnahme um ein Vielfaches gestiegen. Dabei spiegelte diese weitgehend die Entwicklung des Covid-19 Infektionsgeschehens wider. Videosprechstunden wurden überproportional häufig von weiblichen Versicherten sowie in städtischen Regionen genutzt. Mehr als die Hälfte der Patient*innen, die im Jahr 2020 mindestens eine Videosprechstunde in Anspruch nahmen, waren jünger als 40 Jahre. Der Einsatz von Videosprechstunden konzentrierte sich im Jahr 2020 vor allem auf den hausärztlichen Versorgungsbereich und auf psychiatrisch/psychotherapeutisch tätige Fachärzt*innen. Psychotherapeutische Leistungen machten bei den per Videosprechstunde erbrachten Leistungsgruppen den größten Anteil aus.
Praktische Implikationen: Um auch nach der Pandemie die ambulante Versorgung sinnvoll zu ergänzen und dabei zudem bislang ungenutzte Potenziale beispielsweise für ältere Versicherte und solche in ländlichen Regionen zu entfalten, müssen Versicherte und Leistungserbringer*innen diese neue Form der Leistungserbringung akzeptieren und Vorteile darin erkennen.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Es soll eine Strategie für den präferenzgerechten Einsatz von Videosprechstunden in ländlichen und städtischen Regionen entwickelt werden.
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF20011