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Patientenbezogene Ergebnisse der Modellvorhaben gemäß §64b SGB V: Die PsychCare-Studie
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Veröffentlicht: | 30. September 2022 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten große Veränderungen hin zu De-Institutionalisierung, Patientenzentrierung und gemeindenäherer Versorgung erfahren. Dennoch bleiben verschiedene Herausforderungen ersichtlich. Zum einen werden immer noch zu viele Patient:innen vollstationär versorgt, und dies mit aktuell wieder steigender Tendenz. Zum anderen ist eine gute Koordination der Versorgung der Menschen durch die Fragmentierung der Zuständigkeiten und Zersplitterung der Finanzierung stark erschwert. Daher sind Konzepte zur adäquaten Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen, d.h. eine kontinuierliche und settingübergreifende Versorgung, sinnvoll und notwendig. Seit 2012 ist es möglich, Modellvorhaben gemäß § 64b SGB V zu vereinbaren. Ziele dieser Modellvorhaben sind u.a. eine verbesserte Patientenversorgung durch eine sektorenübergreifende Behandlung.
Fragestellung und Zielsetzung: In der PsychCare-Studie werden quantitative und qualitative Primärdaten sowie Routinedaten gesetzlicher Krankenkassen multiperspektivisch und -methodisch zur Evaluation der Modellvorhaben untersucht und zum Teil individuell verlinkt, um die Wirkungen der § 64b-Vorhaben aus der Perspektive von Patient:innen, Angehörigen und Leistungserbringenden zu untersuchen.
Methode oder Hypothese: Es wurde eine kontrollierte, prospektive, multizentrische Kohortenstudie durchgeführt (Follow-up nach 15 Monaten). Insgesamt 18 Kliniken (10 § 64b-Modellkliniken und 8 gematchte Kontrollkliniken) haben Patient:innen mit Sucht, affektiven oder schizophrenen Störungen rekrutiert. Primäre Endpunkte sind Unterschiede in der Veränderung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und der Behandlungszufriedenheit.
Ergebnisse: Insgesamt konnten 1.150 Studienteilnehmende (595 aus Modellkliniken und 555 aus Kontrollkliniken) eingeschlossen werden. Die Studienteilnehmenden der Modellversorgung wiesen bei vergleichbarer Erkrankungsschwere zu Beobachtungsbeginn eine signifikant höhere gesundheitsbezogene Lebensqualität, Behandlungszufriedenheit und Recovery als jene der Vergleichsgruppe auf. In der Folgeerhebung nach 15 Monaten zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen.
Diskussion: Unterschiede der Erkenntnisse zum Beobachtungsbeginn und in der Folgeerhebung müssen weiter untersucht werden. Ein Grund könnte die sich verändernde Versorgungssituation aufgrund der COVID-19-Pandemie sein, da der Follow-Up Zeitraum in diese fiel. Forschung in Kliniken der Regelversorgung gestaltet sich besonders in der psychiatrischen Versorgungsforschung schwierig (u.a. Rekrutierung in allen Settings).
Praktische Implikationen: Mit dem Projekt „PsychCare“ liegen erstmals Ergebnisse einer prospektiven, kontrollierten multiperspektivischen und -methodischen Evaluationsstudie zu Modellvorhaben nach § 64b SGB V vor.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Untersuchungen zu den Auswirkungen der COVID-Pandemie sowie weitere patientenbezogene robuste Studien sind notwendig.
Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF16053