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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Die Teilnahme von Menschen mit psychischen Erkrankungen an einer Beobachtungsstudie zur psychosozialen Versorgung: Motive, Belastungen, Einflussfaktoren

Meeting Abstract

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  • Lorenz Dehn - Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bielefeld, am Universitätsklinikum OWL/Evang. Klinikum Bethel, Forschungsabteilung, Bielefeld, Deutschland
  • Martin Driessen - Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bielefeld, am Universitätsklinikum OWL/Evang. Klinikum Bethel, Forschungsabteilung, Bielefeld, Deutschland
  • Ingmar Steinhart - von Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel, Bielefeld, Deutschland; Institut für Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e. V., Rostock, Deutschland
  • Thomas Beblo - Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bielefeld, am Universitätsklinikum OWL/Evang. Klinikum Bethel, Forschungsabteilung, Bielefeld, Deutschland; Abteilung für Psychologie, Universität Bielefeld, Bielefeld, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf333

doi: 10.3205/22dkvf333, urn:nbn:de:0183-22dkvf3335

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Dehn et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Zur Verbesserung der psychosozialen Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen ist empirische Forschung erforderlich. Hinsichtlich psychiatrischer Forschungsvorhaben weisen psychisch erkrankte Personen dabei grundsätzlich eine insgesamt positive Einstellung auf und geben meist altruistische Gründe für ihr prinzipielles Teilnahmeinteresse an. Allerdings fehlt es an Studien, welche die Situation und Erfahrungen der Teilnehmenden anhand konkreter Forschungsprojekte untersuchen.

Fragestellung und Zielsetzung: Für die Forschung zur psychosozialen Versorgung psychisch erkrankter Menschen spielen prospektive Beobachtungsstudien eine wichtige Rolle. Die vorliegende Studie untersuchte daher, a) aus welchen Motiven Menschen an einer solchen Beobachtungsstudie teilnehmen, b) ob und welche Belastungen sie dabei erleben und c) welche Einflussvariablen hierfür eine Rolle spielen.

Methode: Die Datenerhebung fand zum Abschluss einer 2-jährigen, multizentrischen Beobachtungsstudie zur Wirksamkeit des unterstützten Wohnens für Menschen mit (schweren) psychischen Erkrankungen statt. Diese Studie bestand aus 3 individuellen Befragungen im Abstand von 12 Monaten, die überwiegend Selbsteinschätzungs-Fragebögen umfassten, je 75–90 Minuten dauerten und ein breites psychosoziales Themenspektrum abdeckten. Zum Studienabschluss wurde dann ein kurzer Fragebogen zur subjektiven Einschätzung der Teilnahme an dem Forschungsprojekt vorgelegt. Hierzu konnten n=182 Personen (41% weiblich, Alter M=41,5/Range: 20–68) für die Auswertungen berücksichtigt werden.

Ergebnisse: Rund 71% der Befragten hatten zuvor noch nie an Studien teilgenommen. Für die aktuelle Teilnahme ergaben sich im Rückblick folgende 3 Hauptgründe: „Um anderen Leuten zu helfen“ (87%), „Ich war neugierig“ (85%) sowie „Echtes Interesse an Forschung“ (74%). Rund 60% der Teilnehmenden fühlten sich durch die Befragungen überhaupt nicht belastet und nur 5% (n=9) gaben an, dass sie sich "ziemlich" oder "sehr" belastet gefühlt hätten. In Zukunft wollten 87% der Befragten wieder an Studien teilnehmen. Das Teilnahmemotiv „um etwas gegen die Langeweile zu tun“ wurde signifikant häufiger von Personen mit einer Abhängigkeitserkrankung im Vergleich zu Personen mit affektiver Erkrankung genannt. Befragte, die den Teilnahmegrund „um über meine Erkrankung zu sprechen“ bejahten (48 %), wiesen zu Studienbeginn eine sign. höhere psychische Symptombelastung (SCL-K9) auf als Personen, die diesen Grund verneinten.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen nicht nur eine insgesamt positive Einschätzung, sondern unterstreichen die Relevanz der Teilnahme an einer psychosozialen Beobachtungsstudie für (schwer) psychisch erkrankte Menschen. Diese wollen (aus diversen Gründen) an Studienbefragungen teilnehmen und können dies zum Großteil auch ohne besondere Belastungen. Übervorsicht auf Seiten der betreuenden Mitarbeitenden würde hier also die Verwirklichung von persönlichen Wünschen und Bedarfen behindern. Wenn Menschen von der Forschungsteilnahme abgehalten werden, so schränkt das außerdem die Informationsvielfalt und damit die Aussagekraft von Forschungsbefunden ein.

Förderung: Sonstige Förderung; Stiftung Wohlfahrtspflege NRW