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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Die Selbstbestimmung Gebärender: Förderliche und begrenzende Faktoren aus der Perspektive von Hebammen in Krankenhäusern, Geburtshäusern und bei Hausgeburten

Meeting Abstract

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  • Marie Tallarek - Institut für Gesundheit, BTU Cottbus-Senftenberg, FG Gesundheitswissenschaften, Senftenberg, Deutschland
  • Jacob Spallek - Institut für Gesundheit, BTU Cottbus-Senftenberg, FG Gesundheitswissenschaften, Senftenberg, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf321

doi: 10.3205/22dkvf321, urn:nbn:de:0183-22dkvf3210

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Tallarek et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Die Forderung nach einer selbstbestimmten Geburt ist in Deutschland und weltweit in den fachlichen und öffentlichen Fokus gerückt. Allerdings liegen bisher wenige Forschungsergebnisse zur Selbstbestimmung Gebärender und ihrer förderlichen und begrenzenden Bedingungen vor. Diese Erkenntnisse sind jedoch essentiell, um Selbstbestimmung gezielt unterstützen und ihre Verletzung vermeiden zu können.

Fragestellung und Zielsetzung: Die Studie untersucht und vergleicht die Erfahrungen und Perspektiven von Hebammen in Bezug auf förderliche und begrenzende Faktoren einer selbstbestimmten Geburt in Krankenhäusern, Geburtshäusern und bei Hausgeburten in Deutschland.

Methode: Es wurde eine qualitative Fallstudie auf der Basis von zehn problemzentrierten Einzelinterviews mit Hebammen durchgeführt. Eingeschlossen wurden Hebammen mit laufender oder abgeschlossener Ausbildung, deren letzte begleitete Geburt nicht länger als sechs Monate zurücklag. Die Sampling-Strategie erlaubte die Berücksichtigung unterschiedlicher Geburtshilfe-Settings und Regionen in Deutschland. Alle Interviews wurden aufgezeichnet, transkribiert, anonymisiert und mittels der Thematischen Analyse ausgewertet. Ein positives Ethik-Votum liegt vor.

Ergebnisse: Die Ergebnisse legen acht zusammenhängende Kategorien nahe, die jeweils fördernde und begrenzende Faktoren implizieren:

1.
Strukturelle/rechtliche Bedingungen auf Meso-/Makroebene;
2.
Wahrnehmung von Geburt (z.B. als medizinischer/natürlicher Vorgang, notwendige Kompetenz und Kontrolle);
3.
Vertrauen/Atmosphäre;
4.
Kennenlernen/ Beziehungsaufbau mit Gebärenden;
5.
Sozioökonomische Position (SEP) der Gebärenden;
6.
Information der Gebärenden;
7.
Entscheidungs- und Artikulationsfähigkeit der Gebärenden und
8.
Verhalten der Begleitpersonen.

Zudem wurden Strategien der Hebammen zur Erweiterung des Handlungsspielraums identifiziert. Mehrere Faktoren unterscheiden sich abhängig vom Geburtssetting.

Diskussion: Die Möglichkeiten für eine selbstbestimmte Geburt können sich je nach Setting (z.B. institutionelle Routinen), zwischenmenschlichen Beziehungen (z.B. Vertrauen) und individuellen Faktoren (z.B. SEP) unterscheiden. Folglich können politische, institutionelle und individuelle Strategien eine selbstbestimmte Geburt – und damit eine personenzentrierte, situativ angemessene Versorgung – unter Berücksichtigung der oben genannten Faktoren unterstützen.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse liefern konkrete Anhaltspunkte für Maßnahmen zur Unterstützung einer selbstbestimmten Geburt in verschiedenen Geburtssettings. Empfohlen werden u. a. die Verbesserung von Informationsprozessen vor und während der Geburt, die Verbesserung des Zugangs zu Versorgungsangeboten, der Abbau finanzieller Hürden in der Inanspruchnahme, die Förderung von Beziehungsaufbau und eine Stärkung der hebammengeleiteten Geburt.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Akteur*innen und Entscheidungsträger*innen der Geburtshilfe können die Selbstbestimmung Gebärender durch gezielte individuelle, institutionelle und politische Maßnahmen fördern.