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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Frühmobilisation auf Intensivstationen – die Sichtweise von mobilisierendem Fachpersonal an einem Universitätsklinikum

Meeting Abstract

  • Amrei Mehler-Klamt - Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Fakultät für Soziale Arbeit, Professur für Pflegewissenschaften, Eichstätt, Deutschland
  • Jana Huber - Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Fakultät für Soziale Arbeit, Professur für Pflegewissenschaften, Eichstätt, Deutschland
  • Angelika Warmbein - LMU Klinikum München, Stabsstelle für klinische Pflegeforschung und Qualitätsmanagement, München, Deutschland
  • Ivanka Rathgeber - LMU Klinikum München, Stabsstelle für klinische Pflegeforschung und Qualitätsmanagement, München, Deutschland
  • Uli Fischer - LMU Klinikum München, Stabsstelle für klinische Pflegeforschung und Qualitätsmanagement, München, Deutschland
  • Inge Eberl - Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Fakultät für Soziale Arbeit, Professur für Pflegewissenschaften, Eichstätt, Deutschland; LMU Klinikum München, Stabsstelle für klinische Pflegeforschung und Qualitätsmanagement, München, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf304

doi: 10.3205/22dkvf304, urn:nbn:de:0183-22dkvf3042

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Mehler-Klamt et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Auf vielen Intensivstationen wird die Frühmobilisation von Patient*innen zu selten durchgeführt [1]. Das liegt vor allem an mangelnden Personalressourcen in der Pflege [2], aber auch an fehlenden Hilfsmitteln oder fehlender Motivation seitens Personal oder Patient*innen [3]. Die fehlende Mobilisation kann zu Komplikationen, wie einer erworbenen Muskelschwäche (engl. ICU-acquired weakness) führen.

Fragestellungen: Dieser qualitativen Querschnittstudie wurden folgende Fragestellungen zugrunde gelegt:

1.
Welches Verständnis von Frühmobilisation liegt bei mobilisierendem Fachpersonal auf Intensivstationen vor?
2.
Wie wird Frühmobilisation auf Intensivstationen gestaltet?
3.
Welche Faktoren hemmen und welche Faktoren fördern die Durchführung der Frühmobilisation von Intensivpatient*innen?

Methode: Mittels halbstrukturierter Leitfadeninterviews [4] sowie Gruppendiskussionen [5] wurden Ärzt*innen, Pflegefachpersonen und Physiotherapeut*innen verschiedener Intensivstationen an einem Universitätsklinikum befragt. Die Interviews wurden mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring [6] ausgewertet. Die Auswertung der Gruppendiskussionen erfolgte nach der dokumentarischen Methode [7].

Ergebnisse:

1.
Es gibt kein einheitliches Verständnis von Frühmobilisation. Einige Befragte machen den Beginn der Frühmobilisation abhängig von patient*innenbezogenen Parametern wie Hämodynamik, andere sprechen von Mobilisationsversuchen in Aufwachphasen von Patient*innen unabhängig von patient*innenbezogenen Parametern.
2.
Es gibt kein Stufenschema nach dem frühmobilisiert wird. Die Befragten wenden eigene Schemata an, die teilweise an Stufenschemata angelehnt sind. Physiotherapie und Pflege sind standardmäßig für die Frühmobilisation von Intensivpatient*innen zuständig; Ärzt*innen kommen nur hinzu, wenn der/die Patient*in Besonderheiten aufweist.
3.
Die fördernden Faktoren sind angemessene Absprachen im interdisziplinären Team, motiviertes Personal bzw. Patient*innen, zeitliche Ressourcen, ausreichend und geschultes Personal, genug Hilfsmittel.

Als hemmende Faktoren werden fehlendes Personal und Equipment, Zeitdruck, mangelnde Motivation von Personal oder Patient*innen und mangelnde Kooperation im interdisziplinären Team angeführt.

Diskussion: Frühmobilisation wird, wie auch in der Literatur [8] nachweisbar, von mobilisierendem Fachpersonal sehr unterschiedlich verstanden. Die Frühmobilisationsgestaltung scheint an dem Universitätsklinikum zwar an Stufenschemata angelehnt zu sein, ein einheitliches Mobilisationsschema nach dem alle Patient*innen frühmobilisiert werden, gibt es jedoch nicht, obwohl dies von Expert*innen [3] empfohlen wird.

Praktische Implikationen: Zur Durchführung von Frühmobilisation, sollten genügend Hilfsmittel, personelle und zeitliche Ressourcen sowie eine gute Zusammenarbeit im interdisziplinären Team vorhanden sein.

Appell für die Praxis: Um eine optimale Versorgung von Intensivpatient*innen gewährleisten zu können, sollten strukturierte Stufenschemata in Verbindung mit klar definierten Abbruchkriterien bei der Frühmobilisation der Patient*innen zum Einsatz kommen.

Förderung: Sonstige Förderung; 16SV8420


Literatur

1.
Rai S, Anthony L, Needham DM, Georgousopoulou EN, Sudheer B, Brown R, Mitchell I, van Haren F. Barriers to rehabilitation after critical illness: a survey of multidisciplinary healthcare professionals caring for ICU survivors in an acute care hospital. Aust Crit Care. 2020 May;33(3):264-71. DOI: 10.1016/j.aucc.2019.05.006 Externer Link
2.
Bundesministerium für Gesundheit. Beschäftigte in der Pflege. 2018 [Abgerufen am: 28.07.2021]. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/pflegekraefte/beschaeftigte.html#:~:text=Der%20demografische%20Wandel%20betrifft%20die%20Pflege%20in%20doppelter,dem%20der%20Bedarf%20nach%20Pflegefachkr%C3%A4ften%20gedeckt%20werden%20kann Externer Link
3.
Dubb R, Nydahl P, Hermes C, Schwabbauer N, Toonstra A, Parker AM, Kaltwasser A, Needham DM. Barriers and Strategies for Early Mobilization of Patients in Intensive Care Units. Ann Am Thorac Soc. 2016 May;13(5):724-30. DOI: 10.1513/AnnalsATS.201509-586CME Externer Link
4.
Kruse J, Schmieder C, Weber KM, Dresing T, Pehl T. Qualitative Interviewforschung. Ein integrativer Ansatz. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa; 2015.
5.
Liebig B, Nentwig-Gesemann I. Gruppendiskussion. In: Kühl S, editor. Handbuch Methoden der Organisationsforschung: Quantitative und qualitative Methoden. 1st ed. Wiesbaden: Verl. für Sozialwiss./GWV Fachverl.; 2009. S. 102-23.
6.
Mayring P. Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 12., überarb. Aufl. Weinheim: Beltz; 2015.
7.
Bohnsack R. Dokumentarische Methode. In: Buber R, Holzmüller HH, editors. Lehrbuch. Qualitative Marktforschung: Konzepte - Methoden - Analysen. 2nd ed. Wiesbaden: Gabler Verlag/GWV Fachverlage GmbH Wiesbaden; 2009. S. 318–30.
8.
Clarissa C, Salisbury L, Rodgers S, Kean S. Early mobilisation in mechanically ventilated patients: a systematic integrative review of definitions and activities. J Intensive Care. 2019;7:3. DOI: 10.1186/s40560-018-0355-z Externer Link