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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Sektorenübergreifende Betreuung von Demenzkranken im Krankenhaus – das Projekt SEBKam

Meeting Abstract

  • Jürgen Stausberg - Prof. Dr. med. Jürgen Stausberg, Essen, Deutschland
  • Sabine Kirchen-Peters - Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (iso), Saarbrücken, Deutschland
  • Jana Rößler - Institut für Sozialforschung und Sozialwirtschaft (iso), Saarbrücken, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf274

doi: 10.3205/22dkvf274, urn:nbn:de:0183-22dkvf2741

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Stausberg et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: In § 45ff. Sozialgesetzbuch (SGB) XI sind niedrigschwellige Angebote für Pflegebedürftige in der ambulanten Pflege definiert. Die Maßnahmen umfassen insbesondere eine Begleitung, eine Beschäftigung und eine Beaufsichtigung. Bei stationärer Aufnahme entfallen diese Maßnahmen durch Wechsel von SGB XI nach SGB V. Ein Aufenthalt im Krankenhaus stellt jedoch insbesondere für Menschen mit Demenz ein erhebliches Risiko dar. Die Folgen reichen von herausforderndem Verhalten bis zur Entstehung eines lebensbedrohlichen Delirs.

Fragestellung und Zielsetzung: Bei dem Projekt SEBKam handelte sich um eine Studie im Auftrag des GKV-Spitzenverbands zur Untersuchung des Einflusses einer sektorenübergreifenden Betreuung von Demenzkranken auf Strukturen, Prozesse, Patientensicherheit und Kosten im Krankenhaus. Im Folgenden wird über die Teilstudie zur Patientensicherheit berichtet.

Methode oder Hypothese: Hypothese war, dass es durch den Einsatz von Betreuungskräften seltener zu unerwünschten Vorkommnissen im Rahmen eines stationären Aufenthaltes kommt. Eingeschlossen wurden Demenzkranke (ICD-10-GM F00.-, F02,- und F03) ab 65 Jahren, die noch in ihrer Häuslichkeit versorgt wurden. Die Kontrollgruppe wurde aus einem Zeitraum vor Intervention gebildet. In beiden Phasen wurden typische, unerwünschte Vorkommnisse (UV) standardisiert protokolliert. Eingeschlossen wurden in der Kontrollgruppe 102 und in der Interventionsgruppe 104 Patienten aus zwei Krankenhäusern in den Jahren 2017 bis 2019.

Ergebnisse: In der Kontrollgruppe blieben 2 Patienten (2,0% von 102, 95%-Konfidenzintervall (KI) 0,2%-6,9%), in der Interventionsgruppe 11 Patienten (10,6% von 104, 95%-KI 5,4%-18,1%) frei von einem UV. Am häufigsten trat in der Kontrollgruppe die Anbringung von Bettgitter oder Stecktisch auf (277 von 1.767 UV, 15,7%), in der Interventionsgruppe Störungen innerhalb der Nachtruhe (219 von 1.126 UV, 19,4%). In der Interventionsgruppe trat seltener ein Delir auf (3 vs. 9 UV), häufiger ein Sturz (10 vs. 6 UV). Körpernahe Fixierungen konnten in der Interventionsgruppe fast vollständig vermieden werden (2 vs. 21 UV).

Diskussion: Durch den Einsatz von Betreuungskräften ambulanter Dienste für Demenzkranke im Krankenhaus zeigte sich ein Trend zur Verbesserung der Patientensicherheit mit Erhöhung des Anteils von Patienten ohne UV. Auch die Gesamtzahl der betrachteten UV reduzierte sich um fast 40%. Als Herausforderung erwies sich die Integration der sektorenübergreifenden Betreuungskräfte aus der ambulanten Pflege in die Abläufe der stationären Einrichtungen. Es kam insbesondere zu Abgrenzungsproblemen der Betreuung von pflegerischen Tätigkeiten. Die Erfahrungen aus der Studie sollen nun in einem Folgeprojekt für eine Präzisierung der Intervention und eine Erhärtung der Ergebnisse genutzt werden.

Praktische Implikationen: Die Begleitung von Demenzkranken durch sektorenübergreifende Betreuungskräfte kann die Patientensicherheit bei einem stationären Aufenthalt verbessern.

Appell für die Praxis in einem Satz: Es sollten Regelungs- und Finanzierungsmöglichkeiten zur sektorenübergreifenden Betreuung von Demenzkranken geschaffen werden.

Förderung: Sonstige Förderung