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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Die Wirksamkeit der zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen U10, U11 und J2 für Kinder und Jugendliche: Eine retrospektive Kohortenstudie

Meeting Abstract

  • Kathrin Krüger - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland; Center for Health Economics Research Hannover (CHERH), Hannover, Deutschland
  • Anne-Marie Lapstich - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland; Center for Health Economics Research Hannover (CHERH), Hannover, Deutschland
  • Katrin Christiane Reber - AOK Nordost. Die Gesundheitskasse, Bereich Versorgungsmanagement, Berlin, Deutschland
  • Stephanie Sehlen - AOK Nordost. Die Gesundheitskasse, Bereich Versorgungsmanagement, Berlin, Deutschland
  • Sebastian Liersch - AOK Nordost. Die Gesundheitskasse, Bereich Versorgungsmanagement, Berlin, Deutschland
  • Christian Krauth - Medizinische Hochschule Hannover, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Hannover, Deutschland; Center for Health Economics Research Hannover (CHERH), Hannover, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf272

doi: 10.3205/22dkvf272, urn:nbn:de:0183-22dkvf2727

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Krüger et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund/Stand der Forschung: Im Kindes- und Jugendalter sind regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen besonders wichtig, um Frühstadien von Erkrankungen zu diagnostizieren und Therapien frühzeitig einzuleiten. Da im Rahmen der Regelversorgung die Altersgruppen 7–10 sowie 16–17 Jahre nicht abgedeckt werden, bieten verschiedene Krankenkassen die Zusatzuntersuchungen U10, U11 und J2 an. Es liegt jedoch bisher keine belastbare Evidenz für deren Effektivität vor.

Zielsetzung: Ziel dieser Studie ist es, zu untersuchen, ob die U10, U11 und J2 häufiger und früher zu der Stellung einer Diagnose und der Einleitung einer Therapie führen.

Methode/Hypothesen: Die Analysen basieren auf GKV-Routinedaten der AOK Nordost. Für jede Untersuchung wurde zu der Interventionsgruppe (IG) eine entsprechende Kontrollgruppe (KG) gematcht. Die Hypothesen, dass die IG einen höheren Anteil mit Diagnose und Therapie sowie ein jüngeres Durchschnittsalter bei Diagnosestellung und Therapiebeginn aufwies, wurden inferenzstatistisch überprüft. Die statistische Analyse umfasste geeignete Hypothesentests, Subgruppenanalysen sowie logistische Regressionsmodelle.

Ergebnisse: Die Stichproben umfassen für die U10 n=10.320 Kinder, U11 n=11.362 Kinder und J2 n=3.616 Jugendliche. In den IG ist der Anteil mit einer Diagnose höher als in der KG (p≤0,001). Im Durchschnitt werden die Erkrankungen auch früher diagnostiziert (p≤0,001). Außerdem werden in den IG mehr Therapien durchgeführt (p≤0,05) und auch früher eingeleitet (p≤0,001). Unter den Individuen mit Diagnose ist der Anteil derer, bei denen dann auch eine Behandlung initiiert wurde, für die U10 und die U11 in der KG höher (p≤0,01). Die Regressionsmodelle zeigen, dass die Teilnahme an der U10, U11 oder J2 jeweils den stärksten Einfluss auf eine Diagnosestellung hat; das Vorhandensein einer chronischen Erkrankung und das Geschlecht – bei U10 und U11 das männliche und bei J2 das weibliche – sind ebenfalls signifikant mit einer Diagnosestellung assoziiert. Die Modelle zeigen ferner, dass Nationalität, Arbeitslosigkeit und Region teils einen signifikanten Einfluss haben, während Schul- und Berufsabschluss sowie Einkommen keinen Einfluss zeigen. Bezüglich des Anteils der Therapierten in der Gesamtstichprobe zeigen sich ähnliche Ergebnisse, wobei hier das Vorliegen einer chronischen Erkrankung den größten Einfluss aufweist.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnahme an der U10, U11 und J2 zu signifikant mehr und früheren Diagnosen und in den Gesamtstichproben zu signifikant mehr und früheren Therapien führt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass auch andere Faktoren einen Einfluss haben und Analysen zu langfristigen Effekten ausstehen.

Praktische Implikationen: Die vorliegenden Ergebnisse weisen auf den Nutzen der U10, U11 und J2 hin und tragen zur Schaffung einer Evidenzbasis für Vorsorgeuntersuchungen bei.

Appell für die Praxis in einem Satz: Es bedarf generell weiterer Forschung zu Vorsorgeuntersuchungen im Kindes- und Jugendalter, u. a. zu der Frage, ob frühere Diagnosen und eingeleitete Therapien langfristig zu einer Verhinderung des Fortschreitens oder der Manifestation diagnostizierter Erkrankungen sowie zur Vermeidung von Folgeerkrankungen führen.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; 01VSF17004