gms | German Medical Science

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Im Frühjahr 2021 wurden zu den bestehenden Impfzentren allgemeinmedizinische Praxen in die Impfkampagne gegen Covid-19 einbezogen. Dies hatte zur Folge, dass neben dem alltäglichen Praxisgeschäft, der Versorgung von (chronisch kranken) Patient*innen, der allgemeinen Organisation einer Praxis und dem bereits erhöhten Arbeitsaufkommen durch Covid-19, ein weiterer organisatorisch intensiver Aspekt für die medizinischen Fachangestellten (MFA) hinzugekommen ist. Im Projekt PIPER (Pandemiemanagement in der Praxis – Erfahrungsberichte und Reflexion) wurde der Einfluss der Pandemie auf niedergelassene Praxen untersucht und den Fragen nachgegangen, welche Herausforderungen Covid-19 mit sich gebracht hat und wie diese von den Praxisteams gemeistert wurden.

Fragestellung und Zielsetzung: Welchen Einfluss hatte die Impfkampagne gegen Covid-19 auf niedergelassene Praxen und vor welchen Herausforderungen standen MFA, bzw. wie wurden diese gegebenenfalls bewältigt?

Methode oder Hypothese: Zwischen April und September 2021 wurden bundesweit mit dem Schwerpunkt auf NRW halbstrukturierte Leitfadeninterviews mit 21 MFA im Umfang von 17 bis 51 Minuten durchgeführt. Kernthemen des Interviewleitfadens waren (a) die veränderten Arbeitsstrukturen während der Pandemie, (b) die Organisation und Umsetzung der Impfungen und (c) tatsächliche und gewünschte Unterstützungsmaßnahmen. Die Interviews wurden in Anlehnung an die qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz analysiert.

Ergebnisse: Die Pandemie bedeutete für MFA einen erheblichen Arbeits- und Organisationsaufwand. Insbesondere die Organisation der Impfungen und die damit verbundenen Telefonanrufe, ungeduldige und/oder schwierige Patient*innen, der bürokratische Mehraufwand und die intransparente mediale Kommunikation von kurzfristigen Impfpriorisierungen in Verbindung mit dem üblichen Berufsalltag, brachten eine massive Belastung mit sich.

Diskussion: MFA leisten einen wichtigen Beitrag in der Versorgung während der Pandemie und erleben bis heute starke Auswirkungen auf ihren Berufsalltag. Diese Auswirkungen wurden bislang allerdings nicht im selben Maße betrachtet, wie die auf andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen.

Praktische Implikationen: Die vergangenen zwei Pandemiejahre haben gezeigt, wie unvorbereitet sowohl die Politik als auch das Gesundheitssystem auf ein Ereignis wie Covid-19 war. Neben den Pflegefachkräften und Ärzt*innen, die einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung des Virus geleistet haben, mussten sich MFA als erste Ansprechpartner*innen vieler Patient*innen ebenfalls mit einer erhöhten Arbeitsbelastung und mangelnder Wertschätzung durch Patient*innen befassen und zusätzlich einen völlig neuen Aspekt in den Praxisalltag integrieren. Zukünftig sollte Versorgungsforschung auch vermehrt die Rolle von MFA in Praxisteams in den Fokus nehmen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: In Zukunft sollten MFA im Pandemieplan bezüglich einer möglichen Arbeitsüberlastung berücksichtigt werden, damit ihnen Unterstützungsmaßnahmen zugesichert werden können.

Förderung: Sonstige Förderung; F1003-2020