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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Analog oder digital? Eine Mixed-Methods Studie zur Dokumentationsweise deutscher Humanmilchbanken

Meeting Abstract

  • Mi-Ran Okumu - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Anne Sunder-Plaßmann - Frauenmilchbank-Initiative (FMBI) e.V., Hamburg, Deutschland
  • Isabella Schwab - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Tim Ohnhäuser - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Nadine Scholten - Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR), Uniklinik Köln, Köln, Deutschland; Frauenmilchbank-Initiative (FMBI) e.V., Hamburg, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf193

doi: 10.3205/22dkvf193, urn:nbn:de:0183-22dkvf1937

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Okumu et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Zum Studienzeitpunkt gab es in Deutschland nach öffentlich zugänglichen Angaben 33 Humanmilchbanken. Diese versorgen frühgeborene Kinder mit humaner Spenderinnenmilch, wenn diese (vorübergehend) nicht mit Muttermilch versorgt werden können. Über die detaillierten Arbeitsweisen ist bisher nur wenig bekannt. Daher führte das Innovationsfondsprojekt Neo-MILK diese Studie im explanativen Mixed-Methods Design durch.

Fragestellung und Zielsetzung: Die Studie soll die Dokumentationsweisen deutscher Humanmilchbanken (quantitativ) sowie Best-Practice Modelle (qualitativ) beschreiben.

Methode oder Hypothese: In Kooperation mit der Frauenmilchbank-Initiative (FMBI) e.V. wurde eine quantitative Befragung der 33 Humanmilchbanken entwickelt. Hierbei wurde u. a. die Dokumentationsart (analog/digital) bezüglich Informationen zu Spenderinnen, Herstellung und Verabreichung abgefragt. Im Anschluss an die Auswertung wurden 8 Vertreter*innen von Humanmilchbanken (5 mit analoger, 3 mit digitaler Dokumentation) vertiefend interviewt. Die Interviewleitfäden wurden individuell an die Antworten der quantitativen Befragung angepasst.

Ergebnisse: Die quantitativen Ergebnisse zeigen eine mehrheitlich handschriftliche Dokumentation (Spenderinnendaten: 71,4%, Herstellung: 66,7%, Verabreichung: 85,7%). Dagegen zeichnen die qualitativen Daten eine deutlich pro-digitale Stimmung: Die Nutzer*innen digitaler Dokumentationssysteme äußern sich als zufrieden während die Milchbanken mit analogen Systemen mehrheitlich eine digitale Lösung wünschen bzw. anstreben. Hauptgrund ist der hohe Arbeitsaufwand der händischen Dokumentation. Zudem wird die Wichtigkeit, aber logistisch und finanziell herausfordernde Systemkompatibilität mit anderen krankenhausinternen IT-Systemen betont. Die unterschiedlichen lokalen Bedürfnisse, Gegebenheiten und Arbeitsweisen erfordern maßgeschneiderte Lösungen: In zwei Fällen wurde die digitale Lösung in Anlehnung an die Blutdepotdokumentation entwickelt während im dritten Fall ein bereits an der Klinik integriertes System für die Verabreichung künstlicher Nahrung für Milchbankzwecke adaptiert wurde.

Diskussion: Die Methodenkombination ermöglichte einen Überblick über die derzeitig dominierende Art der Dokumentation an deutschen Milchbanken und konnte gleichzeitig aufzeigen, dass trotz der mehrheitlich analogen Dokumentation digitale Systeme bevorzugt werden. Durch das explanative Design konnte eine Einordnung der Milchbanken in eine digital und eine analog dokumentierende Gruppe erfolgen, was die Grundlage für eine diverse qualitative Stichprobe bildete.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse bieten Milchbanken sowie neonatologischen Intensivstationen Orientierungshilfen bezüglich der Entwicklung oder Umstellung ihres Dokumentationssystems. Die vorangestellte quantitative und die darauf aufbauende qualitative Befragung ermöglichten eine adäquate Erfassung der diversen Arbeitsweisen.

Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Eine adäquate Erfassung komplexer Versorgungssituationen erfordert methodisch vielfältige Studiendesigns.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung