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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Symptom Checker im Arbeitsalltag von Hausärzt*innen. Ergebnisse aus qualitativen Interviews mit Hausärzt*innen

Meeting Abstract

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  • Natalia Radionova - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Deutschland
  • Eylem Ög - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Deutschland
  • Monika Rieger - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Deutschland
  • Christine Preiser - Universitätsklinikum Tübingen, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung, Tübingen, Deutschland; Universitätsklinikum Tübingen, Zentrum für öffentliches Gesundheitswesen und Versorgungsforschung, Tübingen, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf171

doi: 10.3205/22dkvf171, urn:nbn:de:0183-22dkvf1711

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Radionova et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: App- und browserbasierte Symptom Checker (SCs) für Laien leiten User*innen durch einen Fragenkatalog und geben basierend auf den Antworten eine erste Einschätzung zu Symptomen und der Dringlichkeit eines Arztbesuchs. In unserem Teilprojekt des BMBF-geförderten Verbundprojekts beschäftigen wir uns mit den Auswirkungen von SCs auf die Arbeitswelt von Hausärzt*innen in Deutschland aus der Perspektive von Hausärzt*innen. In der Literatur ist bisher kaum erforscht, welche psychosozialen Anforderungen und Ressourcen Hausärzt*innen erleben, wenn Patient*innen SCs nutzen.

Fragestellung und Zielsetzung: Im Vortrag fokussieren wir auf die Frage: „Wie ordnen Hausärzt*innen SCs in ihr eigenes berufliches Selbstverständnis und in die Arzt-Patient-Beziehung ein?“

Methode: Wir haben bisher 7 von 10 geplanten leitfadengestützte Interviews mit Hausärzt*innen in Deutschland geführt (12/20–02/22). Die Interviews haben wir im Team mit dem integrativen Basisverfahren nach Kruse ausgewertet, das uns ermöglichte, mittels feinsprachlicher Analysen auch latente Sinngehalte und Konzepte aus den Daten herauszuarbeiten.

Ergebnisse: Nur ein*e Interviewpartner*in berichtete konkrete Erfahrungen mit SCs, alle anderen formulierten Erfahrungen mit digital vorinformierten Patient*innen sowie Erwartungen an SCs. Die Interviewpartner*innen schreiben sich selbst einen holistischen Blick auf Patient*innen zu und grenzen sich u.a. darüber als „echte Intelligenz“ von künstlicher Intelligenz ab. In den Interviews wird deutlich, dass die Hausärzt*innen als Expert*innen der Selbsteinschätzung von Patient*innen als Laien Skepsis entgegenbringen, gleichzeitig aber Vertrauen von selbigen erwarten. Woher die Patient*innen ihre Informationen beziehen, wird als eher zweitrangig eingeordnet. Entscheidender ist für die Hausärzt*innen die Frage, ob im gemeinsamen Gespräch zwischen Ärzt*innen und Patient*innen Einschätzungen in Einklang gebracht werden können. SCs werden dort problematisiert, wo sie als Störfaktor im Arbeitsbündnis von Ärzt*innen und Patient*innen wahrgenommen werden. Hausärzt*innen sehen Potentiale von SCs für manche Patient*innen, bspw. um Online-Recherchen fokussierter zu gestalten.

Diskussion: Unsere Daten lassen vermuten, dass Erfahrungen mit SCs aktuell nicht zum Alltag in der hausärztlichen Versorgung gehören. Hausärzt*innen grenzen sich von SCs als künstliche Intelligenz ab und betonen ihre eigene Expertise und ihren ganzheitlichen Blick auf Patient*innen. Die Hausärzt*innen problematisieren SCs dort, wo sie das Verhältnis und den gemeinsamen Erkundungsprozess von Hausärzt*innen und Patient*innen stören (könnten).

Praktische Implikationen: Zwar sind einige SCs auf dem Markt, aber sie haben im Arbeitsalltag von Hausärzt*innen bisher zu keinen grundlegenden Veränderungen geführt.

Appell für die Praxis in einem Satz: Für Hausärzt*innen ist wichtig, dass durch digitale Innovationen das Arbeitsbündnis mit Patient*innen gestützt statt gestört wird.

Förderung: Einzelförderung (BMG, DRV, BMBF, DFG, etc)