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„Daten – Monitore – Lebenschancen (DML)“ – Aspekte des Monitorings von Frühgeborenen im klinischen, neonatologischen Setting aus Perspektive von ExpertInnen aus Level 1-Perinatalzentren: Eine explorative, sozialwissenschaftliche Studie
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Veröffentlicht: | 30. September 2022 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: Gängige Formen der (digitalen) Selbstvermessung beschäftigen sich mit der Messung von Fitness, Ernährung und Schlaf [1]. Frühgeborene und deren neonatologischer Kontext wurden bisher in Zusammenhang mit digitaler Vermessung nicht untersucht.
Frühgeborene benötigen aufgrund ihres unreifen Organismus ein engmaschiges klinisches Monitoring, das einen hohen Stellenwert für die Behandlung und Betreuung im klinischen Alltag einnimmt. Gleichzeitig nutzt ein Großteil der Eltern die Daten ihrer Neugeborenen, beispielsweise um den Gesundheitszustand ihres Kindes zu interpretieren. Diese Nutzungsform wird hier summarisch als „stellvertretende Selbstvermessung“ beschrieben.
Fragestellung und Zielsetzung: Ziel war es, das Verhalten von Eltern Frühgeborener aus ExpertenInnenperspektive zu untersuchen. Hierfür standen folgende Fragestellungen im Fokus: (a) Wie reagieren Eltern von frühgeborenen Kindern auf das digitale Monitoring? (b) Gibt es Unterschiede zwischen den Eltern und wenn ja, welche bzw. können spezielle Elterntypen identifiziert werden? (c) In wie weit findet im Verlauf des stationären Aufenthaltes der Frühgeborenen eine „Selbstexpertisierung“ der Eltern statt?
Methode oder Hypothese: Die explorative, sozialwissenschaftliche Studie DML orientiert sich in ihrem Vorgehen an dem qualitativen Forschungsdesign der Grounded Theory. Acht teilstrukturierte Interviews mit ExpertInnen aus Level 1-Perinatalzentren (PädiaterInnen, Pflegefachkräfte sowie PsychologInnen) wurden durchgeführt. Es erfolgte eine Typologisierung nach Kelle & Kluge.
Ergebnisse: Eltern Frühgeborener werden durch eine Urangst sowie andere Ängste bezüglich des Monitorings beeinflusst und verspüren ein Gefühl der fehlenden Einflussnahme auf die Situation ihrer Kinder. Anhand der Dimensionen Angst und Vertrauen konnten zehn Elterntypen benannt werden, die sich in ihrem Umgang mit dem klinischen Monitoring unterscheiden. Sowohl die Angst, als auch das Gefühl der fehlenden Einflussnahme bedingen eine Selbstexpertisierung der Eltern im Verlauf des klinischen Aufenthalts ihres Kindes, welche sich neben der Basisselbstexpertisierung durch unterschiedliche Typen (technisch-, praxis-, erklärungs- und rechercheorientierte Selbstexpertisierung) auszeichnet.
Diskussion: Je nach Elterntyp können Eltern vom klinischen Monitoring ihrer Kinder profitieren, die Überwachung der Vitalparameter kann gleichermaßen eine Barriere für die Selbstexpertisierung darstellen.
Praktische Implikationen: Aus den Elterntypen lassen sich Handlungsempfehlungen für das medizinische Personal im Umgang Eltern ableiten, anhand dessen die individuelle Betreuung der Frühgeborenen und deren Familien im Sinne des Empowerments gefördert werden kann.
Appell für die Praxis (Wissenschaft und/oder Versorgung) in einem Satz: Aus Elternperspektive besteht weiterer Forschungsbedarf, die in bisheriger Forschung zum Handlungstyp der stellvertretenden Selbstvermessung noch nicht ausreichend berücksichtigt wurde.
Förderung: Sonstige Förderung; ZMV|1 - 2517 FSB 016