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21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

05.10. - 07.10.2022, Potsdam

Erfordernisse an Gesundheitsinformationen und Patient*innenleitlinien aus Sicht von Betroffenen mit psychischer Erkrankung und Angehörigen. Eine qualitative Untersuchung

Meeting Abstract

  • Katja Schladitz - Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Leipzig, Deutschland
  • Uta Gühne - Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Leipzig, Deutschland
  • Elena Caroline Weitzel - Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Leipzig, Deutschland
  • Bettina Soltmann - Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Frank Jessen - Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Uniklinik Köln, Köln, Deutschland
  • Jochen Schmitt - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Andrea Pfennig - Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Technische Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Steffi G. Riedel-Heller - Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health, Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Leipzig, Deutschland

21. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Potsdam, 05.-07.10.2022. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2022. Doc22dkvf097

doi: 10.3205/22dkvf097, urn:nbn:de:0183-22dkvf0979

Veröffentlicht: 30. September 2022

© 2022 Schladitz et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund und Stand der Forschung: Gesundheitsinformationen fördern Gesundheitskompetenz und partizipative Entscheidungsfindung. Eine besondere Form stellen Patient*innenleitlinien dar, welche bedürfnisangepasst den gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu Erkrankung und Therapie wiedergeben. Über die Nutzung von Patient*innenleitlinien selbst ist bisher wenig bekannt. Insbesondere für den psychiatrischen Bereich gibt es kaum Forschungsbefunde über Barrieren und erleichternde Bedingungen.

Fragestellung und Zielsetzung: Ziel der qualitativen Untersuchung ist die Exploration von Erfahrungen, Bedarfen und spezifischen Anforderungen an Gesundheitsinformationen und -leitlinien im Allgemeinen und für den psychiatrischen Bereich aus der Sicht von Betroffenen psychischer Erkrankungen und Angehörigen.

Methode: Es wurden N=15 Telefoninterviews (n=4 Betroffene, n=5 Angehörige, n=6 beides zutreffend) orientiert am Modell von Gesundheitskompetenz (Auffinden, Verstehen, Beurteilen und Anwenden von Gesundheitsinformationen) nach Sørensen et al. (2012) leitfadengestützt durchgeführt. Die Daten wurden aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch nach Mayring (2015) ausgewertet.

Ergebnisse: Gesundheitsinformationen zu körperlichen und psychischen Erkrankungen werden in hohem Maß genutzt, Gesundheitsleitlinien sind jedoch weitgehend unbekannt. Dabei ist die Bereitschaft zu deren Nutzung groß. Barrieren liegen v.a. in Ermangelung von Fachwissen und statistischem Verständnis, Informationsmenge und -komplexität und kognitiven bzw. Antriebsbeeinträchtigung infolge der Erkrankung/Medikation. Eine spezifische zielgruppengerechte Anpassung an die Bedürfnisse von Betroffenen und Angehörigen, deren Einbindung in die Erstellung, eine transparente Darstellung von Vor- und Nachteilen von Behandlungsoptionen und der Veränderlichkeit medizinischen Wissens durch Erkenntnisgewinn sowie die Einbindung verschiedener Sichtweisen erhöhen das Vertrauen in Gesundheitsinformationen und –leitlinien.

Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass wissenschaftliche Gesundheitsinformationen und –leitlinien Betroffene psychischer Erkrankungen und Angehörige in der Partizipation an Behandlungsentscheidungen durch Wissensbereitstellung stärken können. Die Studie liefert konkrete Hinweise für Anforderungen, zielgruppenspezifische Anpassungsoptionen und Zugangswege für den psychiatrischen Bereich. Sie zeigt Spezifika von psychischen (verglichen mit somatischen) Erkrankungen auf (z.B. Fehlen objektiver Indikatoren, Stigmatisierung), welche bei der Erstellung und Dissemination von Gesundheitsinformationen berücksichtigt werden sollten.

Praktische Implikationen: Nutzungsbarrieren können durch eine zielgruppenspezifische Gestaltung von Gesundheitsinformationen und –leitlinien sowie den Ausbau vielfältiger und niedrigschwelliger Zugangswege inner- und außerhalb des medizinischen Versorgungssystems gesenkt werden.

Appell für die Praxis: Um die Gesundheitskompetenz von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbessern, muss stärker als bisher über den Nutzen und die Verfügbarkeit von Gesundheitsleitlinien informiert werden.

Förderung: Innovationsfonds/Versorgungsforschung; TU DRESDEN/01VSF20023 - GUIDE2GUIDE