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Patientensicherheitsprobleme in der ambulanten Versorgung – Reaktionen und Rückmeldeverhalten betroffener Patient*innen
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Veröffentlicht: | 25. September 2020 |
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Hintergrund und Stand (inter)nationaler Forschung: In Deutschland erleben Patient*innen der ambulanten Versorgung häufig patientensicherheitsrelevante Probleme (PSP), die jedoch bisher nicht systematisch erfasst werden. Unklar ist, wie Patienten*innen auf PSP reagieren und ob sie erlebte PSP an die Behandler*innen rückmelden, so dass zumindest ein unsystematisches Lernen aus freiwilligen Rückmeldungen der PSP stattfinden könnte.
Fragestellung und Zielsetzung: Die Studie erhebt, wie Patient*innen auf erlebte PSP reagieren und ob sie diese Ärzt*innen rückmelden.
Methode oder Hypothese: Die Studiendaten entstammen der Innovationsfonds-Studie „PAV – Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung (F-KZ: 01VSF16015). Zwischen Mai bis Oktober 2018 wurden insgesamt 10.037 zufällig rekrutierte Personen ≥40 Jahre bundesweit telefonisch befragt. Erfasst wurden die Häufigkeit, Art und Schwere von PSP, die Soziodemographie sowie die Häufigkeit und Verteilung der Reaktionen der Patient*innen mit PSP der letzten 12 Monate. Mit multiplen logistischen Regressionsanalysen wurden Odds Ratios (OR) inklusive 95%-CI zum Zusammenhang zwischen den Reaktionen (Rückmeldung und weitere Reaktion) mit einem bzw. mehreren PSP und den Merkmalen Haus-/Facharzt/ärztin, Geschlecht, Alter und chronisch krank berechnet.
Ergebnisse: Die Befragungsteilnehmer*innen waren durchschnittlich 61 Jahre alt und zu 52% Frauen. 88% hatten in den letzten 12 Monaten ≥1 Arztbesuch. Für diese Zeitspanne berichteten 14,2% der Befragten insgesamt 2.589 PSP. Diese wurden zu 72% anderen Personen mitgeteilt und 64% hatten ≥1 Reaktion zur Folge. Insgesamt erfolgten 2.980 Mitteilungen und 2.897 weitere Reaktionen (Mehrfachnennungen). 40% der PSP wurden behandelnden bzw. anderen Haus-/Fachärzt*innen (32%) mitgeteilt. Bei 34% der PSP gaben die Betroffenen an, das Vertrauen in den Arzt/die Ärztin verloren zu haben, 29% der PSP führten zu einer Beschwerde bei dem/der behandelnden Arzt/Ärztin.
Die Regressionsanalysen zeigen signifikante Zusammenhänge zwischen den unabhängigen Variablen und den Reaktionen. So steigt die Wahrscheinlichkeit für eine Rückmeldung [a] bzw. weitere Reaktion [b] wenn ein PSP bei spezialisierten Fachärzt*innen erlebt wurde [a] OR=5,24 (95%-CI: 3,66-7,77)/[b] OR=3,01 (1,8-5,02); bei jüngeren Patient*innen (40-59 Jahre) [a] OR=1,44 (0,98-2,12)/[b] 2,17 (1,26-3,73) und chronisch Kranken [a] OR=1,66 (1,32-2,09)/[b] OR=1,72, (1,30-2,27).
Diskussion: Patienten*innen melden ihren behandelnden bzw. anderen Haus-/Fachärzt*innen erlebte PSP sehr häufig zurück. PSP führen häufig dazu, dass Patient*innen ihr Vertrauen in die behandelnden Ärzt*innen verlieren.
Praktische Implikationen: Die Rückmeldungen der Patient*innen sollten systematisch erfasst und genutzt werden, um innovative Systeme zur Prävention von PSP zu etablieren.
Förderung: Die Studiendaten entstammen der Innovationsfonds-Studie „PAV – Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung (F-KZ: 01VSF16015).