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19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

30.09. - 01.10.2020, digital

Methodik zur Trennung von Inzidenz und Prävalenz in longitudinalen GKV-Daten

Meeting Abstract

  • Olaf Schoffer - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Martin Rößler - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Veronika Bierbaum - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Christian Günster - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland
  • Christoph Forkert - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden, Deutschland
  • Michael Gerken - Tumorzentrum Regensburg, Institut für Qualitätssicherung und Versorgungsforschung der Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland
  • Kees Kleihues van Tol - Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e.V., Berlin, Deutschland
  • Patrik Dröge - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland
  • Thomas Ruhnke - Wissenschaftliches Institut der AOK, Berlin, Deutschland
  • Monika Klinkhammer-Schalke - Tumorzentrum Regensburg, Institut für Qualitätssicherung und Versorgungsforschung der Universität Regensburg, Regensburg, Deutschland; Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren e.V., Berlin, Deutschland
  • Jochen Schmitt - Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden, Deutschland

19. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). sine loco [digital], 30.09.-01.10.2020. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2020. Doc20dkvf197

doi: 10.3205/20dkvf197, urn:nbn:de:0183-20dkvf1977

Veröffentlicht: 25. September 2020

© 2020 Schoffer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Fragestellungen der Versorgungsforschung und Epidemiologie erfordern oft eine klare Differenzierung inzidenter und prävalenter Erkrankungen. Die Interpretation einer zeitlich ersten Diagnosedokumentation innerhalb eines verfügbaren Beobachtungszeitraums an GKV-Daten als inzidente Diagnose führt jedoch besonders für chronische Erkrankungen zur Inzidenzüberschätzung.1 Häufig wird daher ein Washout-Zeitraum vor der als inzident betrachteten Diagnose festgelegt, in welchem keine entsprechende Diagnose dokumentiert sein darf [1]. Dabei wird unterschieden zwischen einem fixen sowie einem dynamischen Zeitraum (fix: x Jahre vor der Diagnose; dynamisch: von Beobachtungsbeginn bis zur Diagnose, mindestens aber x Jahre).

Fragestellung: Gesucht war eine Fehlerabschätzung für die verschiedenen Washout-Definitionen sowie eine geeignete (Mindest-)Länge des Washout-Zeitraums. Ebenso war von Interesse, welche Faktoren diese Fehlerrate beeinflussen und ob es weitere, ggf. überlegene Verfahren für eine Verringerung der Fehlerrate gibt.

Methode oder Hypothese: Die Fragen wurden exemplarisch anhand bundesweiter AOK-Daten für verschiedene Krebserkrankungen untersucht. Gemäß der Literatur [1] wurde zur Abschätzung der Fehlerrate der maximal mögliche Washout-Zeitraum als Goldstandard-Referenz genutzt. Alternativ wurde die Abschätzung der Fehlerraten über eine Cox-Regression erprobt, wobei die jeweils zweite Diagnose im Beobachtungszeitraum als Ereignis dient. Eine Transformation der aus der Survivorfunktion abgeleiteten Fehlerraten steht dann zur Gewichtung für weiterführende Analysen zur Verfügung.

Ergebnisse: In ersten Auswertungen wies der geschätzte Inzidenzverlauf bei fixem Washout keine relevanten Trends auf, während dieser bei dynamischem Washout exponentiell abfiel (Trendartefakt). Für das Pankreas-Karzinom sank nach dreijährigem Washout die Fehlerrate unter 10%, während diese für das Kolon-Karzinom mit vergleichsweise geringerer Mortalität auch mit fünfjährigem Washout über 10% blieb. Neben Faktoren, welche die Mortalität beeinflussen, wird auch für die Häufigkeit der Arztkontakte ein Einfluss auf die Fehlerrate angenommen und in der Folge untersucht. In ersten Tests der Cox-Gewichtung wurden die Trendartefakte in Inzidenzschätzungen durch besonders geringe Gewichte zu Beobachtungsbeginn deutlich reduziert. Für das Kolonkarzinom konnte so eine Fehlerrate von unter 10% für den gesamten Beobachtungszeitraum erreicht werden.

Diskussion: Die verschiedenen Washout-Methoden weisen verschiedene Verläufe und Größen der Fehlerraten auf. Darum ist in Beobachtungsstudien die Washout-Methodik genauer darzustellen. Die Korrektur mittels Cox-Regression ermöglicht hingegen eine individuelle Gewichtung zur weiteren Verwendung sowie die Berücksichtigung relevanter Kovariaten.

Praktische Implikationen: Die Cox-Gewichtung muss noch weiter geschärft werden. Außerdem sind die verschiedenen Verfahren passend zur Situation auszuwählen. Konkrete Empfehlungen werden aktuell anhand von Simulationsstudien entwickelt.


Literatur

1.
Abbas S, Ihle P, Köster I, Schubert I. Estimation of disease incidence in claims data dependent on the length of follow-up: a methodological approach. Health Serv Res. 2012 Apr;47(2):746-55. DOI: 10.1111/j.1475-6773.2011.01325.x Externer Link