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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Eignungsstandorte für Allgemeinmediziner/-innen in Österreich mittels Kumulation des umliegenden Angebotsmangels unter modifizierter Anwendung des 2-step-floating-catchment-area-Algorithmus (2SFCA)

Meeting Abstract

  • Stefan Mathis-Edenhofer - Gesundheit Österreich GmbH, Planung und Systementwicklung, Wien, Austria
  • Florian Röthlin - Gesundheit Österreich GmbH, Planung und Systementwicklung, Wien, Austria
  • Michael Gyimesi - Gesundheit Österreich GmbH, Planung und Systementwicklung, Wien, Austria
  • Gerhard Fülölp - Gesundheit Österreich GmbH, Gesundheitsökonomie und -systemanalyse, Wien, Austria
  • Andrea Schmidt - Gesundheit Österreich GmbH, Gesundheitsökonomie und -systemanalyse, Wien, Austria
  • Julia Bobek - Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), Wien, Austria

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf423

doi: 10.3205/18dkvf423, urn:nbn:de:0183-18dkvf4233

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Mathis-Edenhofer et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Der Einsatz des 2SFCA-Algorithmus ergibt sich aus dem Problem, dass strukturelle Versorgungsdefizite auf Basis von Versorgungsdichten weder auf Gemeindeebene, noch auf größeren (fixen) Planungsregionen für eine Standortplanung eine ideale Lösung darstellen. So werden auf Ebene der Gemeinden Mitversorgungseffekte von bzw. für benachbarte Gemeinden nicht abgebildet, und andererseits ist eine Betrachtung auf Ebene von Bezirken oder Versorgungsregionen nicht geeignet, die Heterogenität bzw. das Versorgungsdefizit innerhalb der Region standortgenau zu kennzeichnen. Dieses Problem ist auch als modifiable areal unit problem (MAUP ) bekannt.

In Österreich wird die hausärztliche Versorgungsstruktur im Wesentlichen von Allgemeinmediziner/-innen (AM) in Einzelordinationen und Gruppenpraxen gebildet. Für die Strukturplanung des solidarisch finanzierten Gesundheitssystems werden unter anderem ärztliche ambulante Versorgungseinheiten (ÄAVE) im Sinne des Regiomed-Systems der Sozialversicherung eingesetzt, die konzeptionell Vollzeitäquivalenten ähneln.

Fragestellung: Welche Eignungsstandorte lassen sich mit der vorgeschlagenen Methode für AM Identifizieren und quantifizieren, sodass dass sich unerwünschte Mitbewerbereffekte bis hin zu existenzbedrohenden Abwanderungen von bestehenden Anbietern vermeiden lassen?

Methode: Im ersten Schritt wird kleinräumig - für jede Gemeinde der potenzielle Zugangsindex unter Anwendung des 2SFCA-Algorithmus berechnet. Dabei wird der 2SFCA-Algoritmus so angewendet, dass der Indexwert als potenziell verfügbare Angebotsdichte (PAD) - gemessen als ÄAVE je HT Einwohner (EW) - interpretiert werden kann. In einem zweiten Schritt wird je Gemeinde der „Angebotsmangel“ (AMA) berechnet. Dazu wird zuerst das potenzielle Angebot (PA) anhand der PAD und der Zahl der EW in der Gemeinde berechnet. Dann wird das ermittelte PA dem Soll-Angebot (SA) gegenübergestellt. Das SA berechnet sich aus der EW-Zahl und der Soll-Angebotsdichte (SAD), die im ÖSG 2017 als minimale Versorgungsdichte für den Fachbereich AM publiziert ist. Der AMA wird schließlich als die Differenz zwischen PA und SA definiert.

Im dritten Schritt wird für alle Gemeinden der AMA innerhalb und für die umliegenden Gemeinden im Einzugsbereich (EZB) kumuliert betrachtet. Die Aufrechnung erfolgt nach demselben Muster, wie „step 1“ im 2SFCA Algorithmus, jedoch wird dabei der AMA im Einzugsbereich aufaddiert. Der so berechnete kumulierte Angebotsmangel (KAMA) dient als Indikator für die Eignung einer Gemeinde als Anbieterstandort und darüber hinaus als ein quantitativer Bedarfsschätzer, der die Mindestgröße des benötigten Angebots anzeigt.

Ergebnisse: Der KAMA wird kartografisch dargestellt, sodass sich ein Bild von Eignungszonen ergibt. Die Größe der Angebotsbedarfe wird mittels Farbskala visualisiert. Um der Unterschiedlichkeit der Gemeinden hinsichtlich der Bevölkerungszahl- und -dichte sowie der damit einhergehenden unterschiedlichen Inkaufnahme von Wegzeiten gerecht zu werden, wird die Analyse geclustert nach Urbanitätsgrad (DEGURBA) durchgeführt - mit entsprechend unterschiedlichen Erreichbarkeitsrichtwerten.

Diskussion: Mit dem 2SFCA steht ein international etablierter Algorithmus zur Verfügung, der bereits in vielen Arbeiten als Index für die örtliche Zugänglichkeit eingesetzt wird. In dieser Arbeit wird der Algorithmus zuerst für die Ermittlung von örtlichen Angebotsmängeln angewendet, um zunächst das Bedarfsdefizit für eine Gemeinde und in weiterer Folge für ihren EZB kumulativ zu berechnen. Damit erhält jede Gemeinde einen Wert, der den Aufstockungsbedarf in dessen EZB identifiziert und gleichzeitig anzeigt, wie groß das konkrete Angebot dimensioniert werden muss.

Praktische Implikationen: Die Karte mit dem Indikator KAMA auf Gemeindeebene ist für Ärzte, die sich niederlassen wollen, für regionale Verantwortliche, die in die Strukturplanung involviert sind (z.B.: Vertreter von Landesregierungen, Gebietskrankenkassen, Landesärztekammern, Landesfonds, Bezirksbehörden sowie Bürgermeister), aber auch für nationale Instanzen, die an Planungsagenden beteiligt sind (Sozialministerium (BMASGK), Hauptverband der Sozialversicherungen, Bundesärztekammer, Bundesgesundheitsagentur) von potenziellem Interesse. Während für Ärzte der Indikator für die Niederlassungsentscheidung von Bedeutung sein kann, können Vertreter von Regionen den Indikator für Planungen wie Regionale Strukturpläne und Kassenstellenpläne einsetzten. Bundesweit kann der KAMA als Indikator für die Messung der Zugänglichkeit zur Primärversorgung eingesetzt werden. Schließlich kann er auch in der gegenwärtigen Gesundheitsreform als Teil eines Regionalen Versorgungsprofils und zur Prüfung der Eignung von Standorten für Primärversorungseinrichungen eingesetzt werden.