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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Versorgung chronischer Wunden im Pflegeheim: Zwischen Schnittstellenmanagement mit der Hausarztpraxis und MDK

Meeting Abstract

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  • Regina Wiedemann - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, Walcker-Stiftungsprofessur für Management und Innovation im Gesundheitswesen, Witten
  • Sabine Bohnet-Joschko - Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, Walcker-Stiftungsprofessur für Management und Innovation im Gesundheitswesen, Witten

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf420

doi: 10.3205/18dkvf420, urn:nbn:de:0183-18dkvf4200

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Wiedemann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: 2015 haben in Deutschland knapp 2,9 Millionen Menschen Leistungen der Pflegeversicherung erhalten. Mehr als 783.000 der Pflegebedürftigen (27,4%) leben in stationären Pflegeeinrichtungen. Sechs Prozent der durch den MDS in die Prüfung einbezogenen Bewohnerinnen und Bewohner hatten behandlungsbedürftige chronische Wunden oder einen Dekubitus, bei mehr als 24% erfolgten die Maßnahmen zur Behandlung nicht auf dem aktuellen Stand des Wissens.

Fragestellung: In Deutschland gibt es bisher kaum Untersuchungen darüber, auf welcher Grundlage Entscheidungen über Produkte zur Wundversorgung in Pflegeheimen getroffen werden. Das Ziel dieser Pilotstudie ist es, Einblick in Entscheidungsprozesse zu gewinnen, daraus ergibt sich folgende Forschungsfrage: Wie gestaltet sich der Prozess der Wundversorgung im Pflegeheim?

Methode: Die Pilotstudie nutzt ein qualitatives Design, um die bislang weitgehend unbekannten Entscheidungsprozesse in der Bereitstellung mit Materialien zur Wundversorgung zu erforschen. Die Datenerhebung erfolgt in stationären Pflegeinrichtungen unterschiedlicher Trägerschaft. Leitfadengestützte Interviews wurden mit den Heim-, bzw. Pflegedienstleitungen und Pflegenden aus der Wundversorgung geführt. Die Transkription und Analyse mit den zwei Phasen des Codierens aller Interviews erfolgt in der qualitativen Datenanalyse Software MAXQDA 18.

Erste Ergebnisse:

  • Die ausschließlich bewohnerbezogene Versorgung, nach der Heilmittel wie Wundauflagen personenbezogen rezeptiert und verwendet werden müssen, stellt die Heime vor enorme organisatorische Herausforderungen: Für jeden Bewohner muss der jeweilige Hausarzt die entsprechenden Produkte verschreiben, Rezepte müssen zur Apotheke bzw. das Homecare Unternehmen weitergeleitet und die Produkte dann an das Heim geliefert werden, alle Materialien werden im Zimmer des jeweiligen Bewohners gelagert. Das Management der bewohnerbezogenen Versorgungsprozesse ist von den Pflegenden zu gewährleisten. Bei Übernahme aus dem Krankenhaus besteht vor allem am Wochenende die Gefahr von Materialengpässen.
  • Rezeptieren Hausärzte nicht nach neuen Erkenntnissen in der Wundversorgung, müssen Pflegende im Pflegeheim die verordneten Materialien wider besseres Wissen nutzen und gleichzeitig diese Versorgung gegenüber dem MDK verantworten.
  • Die Kooperation mit sog. Homecare-Unternehmen oder externen Wundmanagern wird von den Pflegeheimen als eine Möglichkeit angesehen, diesen aufwendigen Bereitstellungsprozess zu externalisieren und damit ihren Versorgungsauftrag reibungslos und verlässlich sicherstellen zu können.

Diskussion:

  • Pflegende verstehen sich als Vertreter der Bewohnerinnen und Bewohner ihrer Einrichtung. Sie streben eine bestmögliche Versorgung chronischer Wunden an, können diese jedoch zwischen aufwendigen Koordinationsprozessen mit Hausärzten und Anforderungen des MDK nicht immer gewährleisten.
  • Der Anteil der Pflegenden mit Weiterbildung in der Wundversorgung ist in den Einrichtungen unterschiedlich hoch. Das sich schnell verändernde Wissen zur Wundversorgung und zu modernen Materialien erfordert regelmäßige Auffrischungskurse zur Aufrechterhaltung der Expertise; dies stellt besonders für kleine Einrichtungen eine weitere Herausforderung dar.
  • Sog. Homecare-Unternehmen bieten an, den gesamten Versorgungsprozess von der Wundbeurteilung und –dokumentation über den Therapievorschlag mit konkreten Wundprodukten, Kommunikation mit dem Hausarzt, Erwirken des Rezeptes, Lieferung an das Heim bis zu Unterstützung bei der Versorgung auch für Folgerezepte zu übernehmen. Die vertragliche Form der Zusammenarbeit ist unterschiedlich geregelt, beinhaltet jedoch keine Vergütung. Pflegende im Pflegeheim hinterfragen nicht, wie diese Leistungen finanziert werden.

Praktische Implikationen:

  • Die bewohnerbezogene Versorgung mit jeweils eigens rezeptierten Materialien, die bei den persönlichen Gegenständen im Zimmer des Bewohners zu lagern sind, stößt an ihre Grenzen.
  • Als erste Maßnahme sollten Pflegeeinrichtungen Basismaterialien vorhalten und abrechnen dürfen, um eine Versorgung am Wochenende oder bei ausgehenden Materialien eines Bewohners gewährleisten zu können.
  • Digital gestützte Wundnetze könnten einen Beitrag zur Qualitätssicherung der Versorgung chronischer Wunden im Altenheim leisten.