gms | German Medical Science

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Rehabilitation älterer Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen – Bedarf, Therapie und Wirkung geriatrisch-rehabilitativer Versorgung

Meeting Abstract

Suche in Medline nach

  • Heinz Janßen - Hochschule Bremen, Institut für Gesundheits- und Pflegeökonomie, Bremen

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf414

doi: 10.3205/18dkvf414, urn:nbn:de:0183-18dkvf4148

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Janßen.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Mit Inkrafttreten des GKV Wettbewerbsstärkungsgesetzes zum 1. April 2007 wurde eine neue Form der rehabilitativen Versorgung, die mobile Rehabilitation, in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen (§ 40, Abs. 1 iSGB V). Damit wird auch einem älteren, geriatrischen und eher vulnerablem Klientel, die Chancen rehabilitativer Versorgung zugesprochen.

Fragestellung: Die Frage nach dem tatsächlichen Versorgungsbedarf älterer Menschen in Heimen und der Wirkung rehabilitativer Versorgung älterer Menschen ist bislang nicht erforscht. Hier stellt sich die Forderung: Rehabilitation vor Pflege in den Blickpunkt. Im Rahmen einer vom BMG geförderten Forschungsstudie wurde der allgemeine Rehabilitationsbedarf bei Pflegeheimbewohnern untersucht und eine (mobile) geriatrische Rehabilitation in ihrer Durchführung evaluiert.

Methode: Im Rahmen einer multizentrischen und multidimensionalen Studie wurden über einen MIx quantitativer wie qualitativer Methoden der Bedarf, die Durchführung und die Wirkung der rehabilitativen Versorgung in stationären Pflegeeinrichtungen untersucht. Mit fachärztlichen Gutachten wurde in über 750 Fällen der Rehabilitationsbedarf untersucht und in einer Vergleichsstudie mit insgesamt 165 Pflegeheimbewohnern (116 mit Intervention und 49 ohne Intervention) wurden Aussagen zur Wirkung der Versorgung generiert. Qualitative Analyse in der Durchführung ergänzten die Gesamtauswertung und die Aussagen zur aktuellen Versorgungslage.

Ergebnisse: In den Ergebnissen weist die genannte Forschungsstudie einen allgemeinen Rehabilitationsbedarf bei mehr als jedem/r fünften Heimbewohner*in (22,7%) in der Langzeitpflege aus. Für die Kurzeitpflege ist der Bedarf mit 32,6% höher. Für die Versorgungsform der mobilen Rehabilitation ist der Bedarf bei 18,7% der Heimbewohner in der Langzeitpflege ausgewiesen. Untersucht wurden 622 Bewohner in der Langzeitpflege und 138 in der Kurzzeitpflege. Im Rahmen einer halbjährigen Verlaufsstudie mit vier Messzeitpunkten wurde die Wirkung der mobilen rehabilitativen Versorgung über eine Interventions- und eine Vergleichsgruppe untersucht. Mittels Fragebogen wurde über die Items: Barthel-Index, Bewegungsradius, Esslinger Transferskala, Lebenszufriedenheit, sowie Teilhabe und Demenz vergleichend evaluiert. Für die Interventionsgruppe fielen die Ergebnisse auch im Langzeitverlauf besser aus, als für die Vergleichsgruppe ohne Reha. Damit kann auch für den halbjährigen Verlauf eine Wirkung der mobilen Rehabilitation über die vorgenannten Items mit dieser Studie konstatiert werden. Erstmalig in der Evaluation mobiler Rehabilitation wurde die Teilhabe umfangreich erfasst und gemessen über persönliche Ziele zur Teilhabe, ein Teilhabesicherungskonzept und Kontextressourcen. Auch hier zeigte sich mit verbesserten Werten ein Effekt der mobilen Rehabilitation, während jedoch auch sehr vereinzelt positive Effekte ohne Rehabilitation für dieses Item festgestellt wurden. Im Ergebnis wurden die Anforderungen der Abstimmung und Vernetzung der mobilen Rehabilitation mit dem Versorgungsumfeld, hier den stationären Einrichtungen mit der stationären Pflege, herausgestellt. Dies wirkt sowohl auf die Qualität der Behandlung wie auf die Qualität der Nachsorge. So wird in Heimen die stationäre Fachpflege zu einem entscheidenden förderlichen oder hemmenden Faktor der mobilen geriatrischen Rehabilitation; dies ist sowohl konzeptionell wie organisatorisch von Bedeutung für die Durchführung einer mobilen rehabilitativen Maßnahme. In gesundheitsökonomischen Modellberechnungen kann bei unterstellter positiver Wirkung einer mobilen Rehabilitation von einem Einspareffekt insbesondere für die (verringerte) Inanspruchnahme von Pflegeleistungen ausgegangen werden. Insgesamt jedoch, scheint die Leistung der mobilen Rehabilitation derzeit nicht adäquat gegenfinanziert. Dies schmälert den Anreiz für weitere Anbieter im Feld, lässt eine flächendeckende Versorgung kaum erwarten. So bleibt denn auch insgesamt eine Unter- sowie Fehlversorgung weiter bestehen. Denn es liegt nahe, dass bei fehlendem Angebot mobiler Versorgung, u.a. auch das geriatrisch-stationäre Angebot (Krankenhaus) gewählt wird.

Diskussion: Die hier vorliegenden Ergebnisse entstammen einer explorativen Studie, jedoch mit einer für medizinische Studien vergleichsweise hohen Fallzahl. Die Messdimensionen zur Funktionalität wie auch die Erforschung der Teilhabe sind weiter zu entwickeln, um hochwertige Aussagen zur Wirkung rehabilitativer Versorgung vornehmen zu können. Praktische Implikationen. In der Umsetzung geriatrisch begründeter Rehabilitation könnte im Rahmen geriatrischer Versorgungsnetze weiter nachgedacht werden, mit der Zielstellung, die mobile Rehabilitation als Teil einer flexiblen Versorgung im Netz zu etablieren; weiterhin entspricht ein multimodales Angebot den Biographien des geriatrischen Klientel.