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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Prävalenz, Inzidenz und Risikofaktoren für Amputationen – Befunde von Patienten mit Typ-1-Diabetes in den DMP Nordrhein und Westfalen-Lippe

Meeting Abstract

  • Sabine Groos - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, DMP-Projektbüro, Köln
  • Jens Kretschmann - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, DMP-Projektbüro, Köln
  • Christine Macare - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, DMP-Projektbüro, Köln
  • Arne Weber - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, DMP-Projektbüro, Köln
  • Bernd Hagen - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, DMP-Projektbüro, Köln

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf398

doi: 10.3205/18dkvf398, urn:nbn:de:0183-18dkvf3982

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Groos et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Amputationen zählen zu den schwerwiegendsten Folgeschädigungen, welche bei Patienten mit Diabetes mellitus auftreten können. Ein zentrales Ziel der Diabetesversorgung stellt daher deren Vermeidung bzw. Verzögerung dar.

Fragestellung: Es soll die Frage beantwortet werden, wie hoch die Amputationsprävalenz und -inzidenz bei Patienten mit Typ-1-Diabetes in den Disease-Management-Programmen (DMP) in Nordrhein-Westfalen ist und welche Risikofaktoren für das Neuauftreten von Amputationen identifiziert werden können.

Methode: Datengrundlage sind die Dokumentationen aller Patienten mit Typ-1-Diabetes im Erwachsenenalter, die in den Jahren 2005 bis 2015 an den DMP teilnahmen. Die Amputationsprävalenz und -inzidenz wird differenziert nach Alter und Geschlecht sowie im Zeitverlauf dargestellt. Zusätzlich werden in einem multivariaten logistischen Regressionsmodell die Prädiktoren einer erstmaligen Amputation geschätzt.

Ergebnisse: Von den 44.898 erwachsenen Patienten, die im Jahr 2015 in den DMP betreut wurden, waren 55,7 % männlich, sie waren im Durschnitt seit 6,2 ± 3,4 Jahren in das Behandlungsprogramm eingeschrieben und 47,8 ± 16,1 Jahre alt; 18- bis 40-Jährige 33,2 %, 41- bis 60-Jährige 45,7 % und über 60-Jährige 21,2 %.

Insgesamt waren 10,8 ‰ der betrachteten Diabetes-Patienten von einer Amputation betroffen. Dabei zeigte sich für Männer eine doppelt so hohe Prävalenz wie für Frauen (14,5 vs. 6,1 ‰). Die Prävalenz stieg mit dem Alter an; von 2,3 ‰ (18 bis 40 Jahre) über 12,3 ‰ (41 bis 60 Jahre) auf 20,8 ‰ (über 60 Jahre). Im DMP-Zeitverlauf nahm die Zahl der dokumentierten Amputationen leicht zu.

Die Häufigkeit der inzidentellen Amputationen lag bei 12,4/10.000 PJ, ebenfalls mit deutlich höheren Raten für die Männer (17,0 vs. 6,6/10.000 PJ). Es zeigte sich ein Anstieg der Inzidenz über die Altersgruppen; von 3,4 (18 bis 40 Jahre) über 16,8 (41 bis 60 Jahre) auf 17,0/10.000 PJ (über 60 Jahre). Jedoch lässt sich kein eindeutiger Trend im Zeitverlauf beobachten.

Als bedeutsamste Prädiktoren einer erstmaligen Amputation erwiesen sich eine Fußläsion (OR 3,6; CI-95% 2,6-4,9), ein auffälliger Sensibilitäts-, Puls- oder Fußstatus-Befund (2,8; 1,7-4,6) sowie ein HbA1c > 8,5% (2,4; 1,9-3,1). Auch bei Vorliegen einer pAVK (2,4; 1,8-3,2) bzw. einer weiteren kardiovaskulären Begleiterkrankung (1,6; 1,2-2,1) und einer Retinopathie/Erblindung (1,7; 1,3-2,2) stieg das Amputationsrisiko. Zusätzlich war es für Männer (2,0; 1,6-2,6) sowie die 41- bis 60-Jährigen im Vergleich zu den 18- bis 40-Jährigen (1,6; 1,0-2,3) erhöht.

Diskussion: Unabhängig von den zentralen Risikofaktoren Fußläsion, auffällige Fußbefunde und Gefäßerkrankungen sind Männer häufiger von Amputationen betroffen. Der in einigen Studien postulierte Rückgang von Amputationen bei Betroffenen mit Diabetes in den letzten Jahren lässt sich anhand der Daten aus dem DMP Diabetes mellitus Typ 1 nicht bestätigen. Außerdem kann hier nicht zwischen Minor- und Majoramputationen unterschieden werden.

Praktische Implikationen: Amputationen ziehen für die Betroffenen in der Vielzahl der Fälle weitere Folgen wie gesundheitliche Beeinträchtigungen, u.a. in Form von Folgeamputationen, Einschränkung der Lebensqualität sowie sozioökonomische Folgen nach sich. Besonderes Augenmerk sollte daher auf Diabetes-Patienten mit besonders hohem Amputationsrisiko gelegt werden; hierbei scheinen besonders männliche Betroffene einer verstärkten Betreuung zu bedürfen.