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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Häufigkeit und Zeitpunkt von Rezidiven nach inzidentem Schlaganfall – eine Analyse auf Basis von GKV-Routinedaten der AOK Niedersachsen

Meeting Abstract

  • Sarah Stubenrauch - AOK Niedersachsen, Stabsbereich Versorgungsforschung, Hannover
  • Sveja Eberhard - AOK Niedersachsen, Stabsbereich Versorgungsforschung, Hannover
  • Annett Bork - Leibniz Fachhochschule, Health Management, Hannover
  • Jona Stahmeyer - AOK Niedersachsen, Stabsbereich Versorgungsforschung, Hannover

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf382

doi: 10.3205/18dkvf382, urn:nbn:de:0183-18dkvf3824

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Stubenrauch et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Schlaganfälle zählen zu den häufigsten Todesursachsen in westlichen Industrienationen. In Deutschland versterben ca. 20% der Patienten innerhalb eines Jahres nach einem Schlaganfall. Fraglich ist, wie häufig und in welchem Zeitraum Rezidive auftreten. In Studien, die inzidente Schlaganfälle untersuchen ist deshalb unklar, wie lang die Vorbeobachtungszeit sein sollte. GKV-Routinedaten bieten die Möglichkeit, die Rezidivhäufigkeit anhand einer umfangreichen Datenbasis zu ermitteln.

Fragestellung:

  • Wie häufig treten Schlaganfälle bei Versicherten der AOK Niedersachsen auf (Prävalenz, Inzidenz)?
  • Wie häufig sind Rezidive nach inzidentem Schlaganfall und wie ist die Zeitspanne zwischen Erstinfarkt und Rezidiv?

Methode: Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurde eine Analyse von Routinedaten der AOK Niedersachsen durchgeführt und alle Schlaganfälle in den Jahren 2010 und 2011 betrachtet. Für die Prävalenzanalysen wurden rund 2,1 Mio. Versicherte eingeschlossen, die in den Jahren 2010 und 2011 durchgängig versichert waren. Zur Ermittlung der Inzidenz wurden nur Versicherte mit einer durchgängigen Versicherung von 2005 bis 2010/2011 berücksichtigt (ca. 1,7 Mio.). Um den Einfluss des Vorbeobachtungszeitraums auf die Inzidenz zu ermitteln, wurden alle Versicherten auf vorherige Schlaganfälle in den Jahren 2005 bis 2009 überprüft. Als Schlaganfall wurde das Vorliegen einer stationären Aufnahme mit den Hauptentlassdiagnosen ICD-10 I60-I64 definiert. Dabei wurden nur akutstationäre Krankenhausfälle berücksichtigt und die Daten um vor- und nachstationäre Behandlungen, Verlegungen oder direkte Anschlussbehandlungen bereinigt. Nachfolgend wurden aus den ermittelten rohen Prävalenz- und Inzidenzraten, die standardisierten Raten nach „Zensusbevölkerung 2011“ ermittelt.

Die Analyse von Rezidiven erfolgte bei Versicherten mit inzidentem Schlaganfall in den Jahren 2010 und 2011 mit einem Nachbeobachtungszeitraum von bis zu 7 Jahren. Um als Rezidiv klassifiziert zu werden, wurde die folgende vielfach verwendete Definition genutzt: Mindestabstand zwischen Schlaganfällen von 21 Tagen (Erstaufnahme bis erneute Aufnahme) bei Versicherten mit identischer Schlaganfalldiagnose oder stationäre Aufnahme nach erfolgter Entlassung mit anderer Schlaganfalldiagnose. Die Analysen erfolgten deskriptiv sowie mittels Kaplan-Meier Analysen mit dem Programm SPSS 25.

Ergebnisse: Insgesamt erlitten 18.194 Personen einen Schlaganfall in den Jahren 2010 oder 2011 (standardisierte 1-Jahres-Prävalenz 336/100.000 Einwohner).

Unter Zugrundelegung einer 5-jährigen Vorbeobachtungszeit wurden 14.293 Versicherte mit einem inzidenten Schlaganfall beobachtet (jährliche Inzidenzrate von 292/100.000 Einwohner). Das durchschnittliche Alter lag bei 75 Jahren (Männer: 71 Jahre; Frauen: 78 Jahre), 55% waren weiblich. Bei 81% der inzidenten Schlaganfälle handelte es sich um ischämische Insulte (I63), 14,5% waren hämorrhagisch (I60-I62) und 4,5% waren nicht als Blutung oder Infarkt bezeichnet (I64).

Ohne Vorbeobachtungszeitraum wäre die Inzidenz um 11,9% überschätzt worden. Bei einer 1-, 2-, 3-, oder 4-jährigen Vorbeobachtungszeit wäre es zu einer Überschätzung von 7,5%, 5%, 2,9% bzw. 1,3% gekommen.

Von den 14.293 Versicherten mit inzidentem Schlaganfall erlitten 1.786 innerhalb der Nachbeobachtungszeit ein Rezidiv, 294 Versicherte hatten zwei Rezidive und bei 65 Versicherten kam es zu drei oder mehr Rezidiven. Der mittlere Nachbeobachtungszeitraum betrug 1334 Tage. Der durchschnittliche Abstand zwischen Erstinsult und Rezidiv belief sich auf 697 Tage. Nach den Ergebnissen der Kaplan-Meier Analyse lag die Rezidivrate nach 30 Tagen bei 1,2%, nach einem Jahr bei 8,7% und nach fünf Jahren bei 25,4%. Das jährliche Risiko ein Rezidiv zu erleiden, lag im zweiten Jahr bei 4,5%, sowie in den Jahren 3-5 bei jeweils rund 4%. Die 30-Tage-Mortalität nach Schlaganfall lag bei 6,8%, die 1-Jahres-Mortalität bei 18,5% und die 5-Jahres-Mortalität bei 46%.

Diskussion: Die vorliegende Analyse ergänzt die Studienlage um eine Schätzung zur Häufigkeit von Schlaganfällen sowie Informationen zum Auftreten von Rezidiven im Langzeitverlauf auf Basis von Routinedaten. Die ermittelten standardisierten Prävalenzraten liegen im Rahmen der bisherigen Schätzungen, auch wenn die Studien aufgrund methodischer Unterschiede und der Betrachtung von selektierten Personenkreisen nur schwer vergleichbar sind. Ein wesentlicher Vorteil von Routinedatenanalysen ist die umfangreiche Datenbasis, die Möglichkeit einer langfristigen Nachbeobachtung sowie der Ausschluss von Selektionseffekten. Limitationen ergeben sich insbesondere durch den originären Abrechnungszweck und dem Fehlen klinischer Informationen.

Praktische Implikationen: Im Vergleich zu anderen Indikationen ist die Überschätzung der Schlaganfallinzidenz bei kurzen Vorbeobachtungszeiträumen niedrig. Sofern möglich, ist jedoch ein Vorbeobachtungszeitraum von mindestens zwei Jahren empfehlenswert, um eine Überschätzung gering zu halten.