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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Die Behandlung der moderaten bis schweren Neurodermitis in Deutschland vor der Einführung des ersten Biologikums: Ergebnisse aus dem deutschen Neurodermitisregister TREATgermany

Meeting Abstract

  • Eva Haufe - Uniklinikum der TU Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden
  • Dora Stölzl - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Kiel
  • Luise Heinrich - Uniklinikum der TU Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden
  • Susanne Abraham - Uniklinikum der TU Dresden, Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Dresden
  • Inken Harder - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Kiel
  • Annice Heratizadeh - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Hannover
  • Alexander Zink - Klinikum rechts der Isar der TU München, Klinik für Dermatologie und Allergologie, München
  • Elke Weisshaar - Universitätsklinikum Heidelberg, Abteilung Klinische Sozialmedizin, Heidelberg
  • Tatjana Bobylev - Elbe Klinikum Buxtehude, Klinik für Dermatologie, Allergologische Ambulanz, Buxtehude
  • Ralph von Kiedrowski - Praxis Dr. med. Ralph von Kiedrowski, CMSS – Company for Medical Study and Service Selters, Selters
  • Margitta Worm - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Berlin
  • Jens Malte Baron - Universitätsklinikum Aachen, Klinik für Dermatologie und Allergologie, Aachen
  • Magnus Bell - Praxis Dr. Magnus Bell, Thomas Kaiser, Andernach, Hautärzte, Allergologie, Andernach
  • Andreas Wollenberg - Klinikum der Universität München, Ludwig-Maximilians-Universität, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, München
  • Kathrin Neubert - Praxis Dipl.-Med. Kathrin Neubert, Praxis Burgstädt, Burgstädt
  • Petra Staubach-Renz - Universitätsmedizin Mainz, Universitätshautklinik und Poliklinik, Mainz
  • Thomas Bieber - Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Bonn
  • Isabel Fell - Hautmedizin Bad Soden, Bad Soden
  • Stefan Beissert - Uniklinikum der TU Dresden, Klinik und Poliklinik für Dermatologie, Dresden
  • Thomas Werfel - Medizinische Hochschule Hannover, Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Hannover
  • Stephan Weidinger - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Kiel
  • Jochen Schmitt - Uniklinikum der TU Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung, Dresden

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf360

doi: 10.3205/18dkvf360, urn:nbn:de:0183-18dkvf3601

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Haufe et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Neurodermitis führt zu hohen Belastungen von Patienten, deren Familien und des Gesundheitssystems. Patienten mit moderater bis schwerer Neurodermitis (AD) können nicht ausreichend mit topischen antientzündlichen Therapien behandelt werden, so dass ein kontinuierlicher oder intermittierender Einsatz von UV-Therapie oder antientzündlicher Systemtherapie (ST) indiziert ist. Hierzu fehlen jedoch aussagekräftige head-to-head- und Langzeitstudien, wodurch klinisch relevante Aussagen zur Langzeitwirksamkeit von ST schwierig sind. Hier bieten Register eine unverzichtbare Möglichkeit, Informationen für evidenzbasierte klinische Entscheidungen in der Routineversorgung zu generieren. Das 2016 neu aufgelegte deutsche Neurodermitisregister TREATgermany ist ein prospektives multizentrisches Forschungsregister. Es ist aus TREATeczema (2011-15) hervorgegangen und gehört zur europäischen Registerfamilie TREAT.

Fragestellung: Es werden Ergebnisse zu klinischen Befunden, ausgewählten Therapien, Lebensqualität und Zufriedenheit aller im Zeitraum 06/2016 bis 11/2017, d.h., noch vor der Markteinführung des ersten Biologikums (Dupilumab) zur Behandlung der AD in Deutschland im Dezember 2017, eingeschlossenen Patienten vorgestellt.

Methode: Erwachsene mit moderater bis schwerer AD (aktuelle/in den vorangegangenen 2 Jahren durchgeführte antientzündliche ST und/oder oScorad>20) werden prospektiv über mindestens 24 Monate beobachtet. Die Hauptzielgrößen beinhalten im Einklang mit den Empfehlungen der HOME Initiative:

  • Objektive Schwere klinischer Zeichen (EASI, oScorad)
  • Erkrankungssymptome (POEM), Schwere von Juckreiz und Schlafstörungen
  • Erkrankungsschübe und -verlauf (vollständig/gut kontrollierte Wochen)
  • Lebensqualität (DLQI)

Ergebnisse: 237 Patienten (Durchschnittsalter 43±15 Jahre, 38,8% Frauen) aus 19 Rekrutierungszentren mit oScorad- und EASI-Werten von 38,6±14,9 (Skala 0-83) und 13,2±10,2 (Skala 0-72) wurden bis 11/2017 eingeschlossen. 54,4% dieser Patienten berichteten einen frühen Krankheitsbeginn im Säuglings-, 22,8% entwickelten die AD im Erwachsenenalter.

Die Patienten berichteten eine mittlere bis schwere Symptomatik (POEM=15,3±7,3; Summenscore 0-28) mit mäßigen Auswirkungen auf ihr tägliches Leben (DLQI=10,7±7,1; Summenscore 0-30).

Mit 5,2 vs. 3,1 bzw. 3,9 (Skala 0-10) wurde der Juckreiz gegenüber Schmerzen und Schlafstörungen als am meisten beeinträchtigend erlebt. Die Patienten waren mit der medizinischen Versorgung (7,1±2,6; Skala 0-10) und der Behandlung der AD (6,5±2,7; Skala 0-10) überwiegend zufrieden.

Die AD wurde von 52,1% der Patienten als überwiegend schlecht kontrolliert erlebt, d.h., sie berichteten leichte oder keine Symptome in weniger als 4 von 12 Wochen, eine vollständige Kontrolle wurde nur von 13,1% berichtet (=leichte/keine Symptome in mehr als 10 von 12 Wochen).

Bei Einschluss waren 73,8% der Patienten jemals mit einer oder mehreren ST behandelt worden. Orale Glukokortikosteroide (60,3%) und Ciclosporin (41,8%) waren die häufigsten Medikamente. ST mit Azathioprin, Methotrexat (MTX), Mycophenolat Mofetil (MMF) sowie mit Alitretinoin, Tralokinumab, Secukinumab, Omalizumab, Leflunomid und Mepolizumab kamen in klinischen Studien oder als Off-Label-Therapie bei einigen Patienten vor. Bei fast allen Patienten (97,5%) wurden topische Mittel eingesetzt, 41,8% hatten eine UV-Therapie erhalten. 28% der Patienten standen bei Einschluss in das Register (einschließlich 3 Monate davor) unter ST. Von ihnen erhielten 44,8% Ciclosporin, 7,9% orale Glukokortikosteroide, 9% MTX, 9% MMF und 28,4% andere systemische Behandlungen. In der 1. Visite wurde die systemische Behandlung bei 82% der Patienten nicht verändert, bei 13,4% gestoppt und nur bei einzelnen Patienten umgestellt.

Die Ärzte waren mit der medizinischen Behandlung überwiegend zufrieden (6,4±2,6; Skala 0-10).

Diskussion: Die Analyse der ersten 237 Patienten aus TREATgermany legt wertvolle Informationen über die routinemäßige Behandlung von Erwachsenen mit moderater bis schwerer Neurodermitis in Deutschland vor. Dabei werden Wirksamkeit und Nutzen der derzeitigen Behandlung dargestellt und die Notwendigkeit zusätzlicher effektiver und sicherer Behandlungsalternativen für eine langfristige Kontrolle abgeleitet. Es bleibt abzuwarten, ob eine Behandlung der moderaten bis schweren AD mit Biologika das langfristige Krankheitsmanagement verbessert.

Praktische Implikationen: TREATgermany liefert praxisrelevante Daten zur Charakterisierung der medizinischen Versorgung und medikamentösen Therapie von Erwachsenen mit moderater bis schwerer AD. Patientenperspektive (Nutzen, Ziele, Lebensqualität), Therapiereihenfolge sowie -wechsel sind hierbei besondere Schwerpunkte. Darüber hinaus wird eine Basis für die Erforschung der komparativen Effektivität, Tolerabilität und Sicherheit der verfügbaren topischen und systemischen Therapien wie auch als Plattform weiterführender klinischer und (versorgungs-) epidemiologischer Untersuchungen geschaffen.