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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Ergebnisse einer Befragung von Physiotherapeut*innen zur Struktur- und Prozessqualität von Maßnahmen zur Frühmobilisation auf Intensivstationen in NRW

Meeting Abstract

  • Christian Grüneberg - Hochschule für Gesundheit, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Studienbereich Physiotherapie, Bochum
  • Marietta Handgraaf - Hochschule für Gesundheit, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Studienbereich Physiotherapie, Bochum
  • Diana Klein - Hochschule für Gesundheit, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Studienbereich Physiotherapie, Bochum
  • Selina von Schumann - Hochschule für Gesundheit, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Studienbereich Physiotherapie, Bochum
  • Ariane Demirci - Hochschule für Gesundheit, Department für Angewandte Gesundheitswissenschaften, Studienbereich Physiotherapie, Bochum
  • Peter Zahn - Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil, Universitätsklinik für Anästhesiologie, Intensiv-, Palliativ- und Schmerzmedizin, Bochum

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf358

doi: 10.3205/18dkvf358, urn:nbn:de:0183-18dkvf3585

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Grüneberg et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: In Deutschland stieg die Patientenzahl der stationären Akutversorgung innerhalb der letzten 20 Jahre kontinuierlich an. 1991 betrug die Fallzahl circa 14,6 Millionen. Bis 2016 erhöhte sich diese um circa 4,9 Millionen (Statistisches Bundesamt, 2017). Ein wichtiger Bestandteil des Versorgungsprozesses im Akuthaus stellt die Intensivstation dar. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) besitzt anteilig davon 267 Krankenhäuser mit Intensivstationen und behandelt jährlich 544.000 Fälle (Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2017). Insbesondere unter Berücksichtigung des hohen Anteils immobiler und bettlägeriger Patient*innen weisen aktuelle Studien auf die zunehmende Bedeutung einer frühzeitigen Mobilisierung während eines intensivmedizinischen Aufenthalts hin (Clark, Lowman, Griffin, Matthews, & Reiff, 2013; Green, Marzano, Leditschke, Mitchell, & Bissett, 2016; Sommers et al., 2015). Bei der Frühmobilisation wenden Ärzt*innen, Gesundheits- und Krankenpfleger*innen und Physiotherapeut*innen verschiedene Maßnahmen zur Diagnostik und Therapie an. Diese können Gegenstand von internen Krankenhaus-Leitlinien und veröffentlichten, standardisierten Leitlinien (Algorithmen) sein.

Fragestellung: Das Ziel dieser Studie ist die Datenerhebung zur Struktur- und Prozessqualität von Maßnahmen zur Frühmobilisation auf der Intensivstation in NRW. Dabei sind zwei Hauptfragen von Bedeutung:

1.
Welche Assessments, Algorithmen und internen Standards werden zur physiotherapeutischen Frühmobilisation auf der Intensivstation in NRW aktuell durchgeführt?
2.
Welche Barrieren werden bei der Implementierung und Durchführung von Assessments, Algorithmen und internen Standards identifiziert?

Methode: Die Querschnittstudie wurde im Zeitraum von November – Dezember 2017 mittels eines Fragebogens (wahlweise online oder postalisch) durchgeführt. Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen über die Krankenhausdatenbank NRW aus dem Krankenhausplan 2015 ermittelt.

Ergebnisse: Von den insgesamt 240 Teilnehmer*innen (einige physiotherapeutische Ansprechpartner*innen waren für zwei oder mehrere Krankenhäuser zuständig) beantworteten 44,0% (105 Teilnehmer*innen) den Fragebogen. Nahezu 2/3 (64%) der Befragten arbeiten als Physiotherapeut*innen auf der Intensivstation, circa 1/3 (32%) leiten die Physiotherapieabteilung. Die verschiedenen Schwerpunkte der Intensivstationen verteilen sich mit ca. 84% hauptsächlich auf die internistische Akutmedizin, gefolgt von der Kardiologie und Chirurgie (jeweils 66%). Knapp 85% der Teilnehmer*innen geben an, dass ein festes Physiotherapeuten-Team auf der Intensivstation arbeitet.

Die Teilnehmer*innen geben aus physiotherapeutischer Sicht die am weitesten verbreiteten Assessments auf der Intensivstation an, nämlich die Visuelle Analogskala und Numerische Rating-Skala (43%) und den Barthel-Index (40,0%). Deutlich geringer in der Anwendung werden Assessments zur Beurteilung der Atmung (26%), die Richmond Agitation Sedation Scale (20%) und Assessments zur Bewertung des Tonus benannt (20%).

Insgesamt zeigen die vorliegenden Ergebnisse, dass ICU– spezifische Assessments äußerst selten durchgeführt werden. Zwischen 48 - 57% der Teilnehmer*innen geben an, diese spezifischen Assessments nie zu verwenden. Laut der vorliegenden Erhebung ist mit 13% die ICU Mobility Scale das am standardmäßigsten genutzte ICU – spezifische Assessment.

Zu den am bedeutsamsten eingestuften Barrieren bei der Einführung und Durchführung von Assessments gehören mit jeweils 21% bzw. 19% der Personal- sowie der Zeitmangel (19%) bei der Einführung und Durchführung von Assessments. Die Sedierung der Patienten stellt mit 14%, das allgemein multimorbide Patientenklientel mit 11% ein Hindernis dar.

Neben den als eindeutig identifizierten Barrieren schätzten die Befragten die eingeschränkte Patientenkommunikation sowie die herabgesetzte Patientencompliance als Barriere ein.

Eine unzureichende Kommunikation zwischen den Professionen (24,8%), ungeklärte Zuständigkeiten bezüglich der Frühmobilisation (24,8%) und ungeklärte Verantwortlichkeiten (23,8%) werden eher als keine Barriere angesehen.

Diskussion: Diese Umfrage kann mit ihren Ergebnissen zur Verbesserung der Struktur- und Prozessqualität auf Intensivstationen beitragen. Sie spiegelt die Einschätzungen der Teil-nehmer*innen bezüglich der vorhandenen Barrieren wieder. Auf dieser Grundlage können Maßnahmen hergeleitet werden, um diese Barrieren zu überwinden.

Praktische Implikationen: Aufgrund dieser Studienergebnisse ist es u.a. empfehlenswert mehr ICU – spezifische Assessments auf den Intensivstationen in NRW einzuführen.