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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Entwicklung und Machbarkeitstestung eines Qualitätsindikatoren-Set für Pädiatrische Primary Care Praxen in Europa

Meeting Abstract

  • Dominik Ewald - Paediatric Primary Care Center Regensburg, Regensburg
  • Gottfried Huss - European Association of Primary Care Paediatricians, Rheinfelden
  • Sike Auras - Universität Witten/Herdecke, Institut für Gesundheitssystemforschung, Witten
  • Rike Kraska - Universität Witten/Herdecke, Institut für Gesundheitssystemforschung, Witten
  • Juan Ruiz-Canela - Caceres Centro de Salud Virgen de África, Sevilla, Spain
  • Adamos Hadjipanayis - Medical School, European University Cyprus, Nicosia, Cyprus
  • Adamos Hadjipanayis - Department of Paediatrics, Larnaca General Hospital, Larnaca, Cyprus
  • Max Geraedts - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf352

doi: 10.3205/18dkvf352, urn:nbn:de:0183-18dkvf3524

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Ewald et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die medizinische Qualität in den einzelnen europäischen Ländern zeigt erhebliche Unterschiede und Defizite. Die Freizügigkeit im Schengen Raum führt durch Cross-Border-Medizin zu weiteren Verschiebungen und Ungleichgewichten. Die EU hingegen gesteht jedem EU-Bürger zu, in einem anderen europäischen Land mindestens die gleiche medizinische Qualität wie in seinem Heimatland zu bekommen. Studien legen besonders hohe qualitative Defizite in der pädiatrischen Primärversorgung (Paediatric Primary Care, PPC) dar, insbesondere weil verschiedene Fachgruppen an der Behandlung von Kinder und Jugendlichen beteiligt, unterschiedlich ausgebildet und trainiert sind. Benchmarking-Instrumente, wie Qualitätsindikatoren (QI), können ein Lernen an der „best-practice“ fördern und Qualität und Patientensicherheit verbessern. QI speziell für PPC-Einrichtungen, die eine Vergleichbarkeit in ganz Europa ermöglichen, existieren bislang nicht – sind aber von der EU gefordert. Um diese Lücke zu schließen, wurde das “Core Set of Indicators for Paediatric Primary Care in Europe” (COSI-PPC-EU) entwickelt und hinsichtlich seiner Machbarkeit getestet.

Fragestellung: Die Studie besteht aus 2 Teilprojekten. Im 1. Teil wurde untersucht, ob die Entwicklung eines validen und machbaren QI-Set für europäische PPC-Praxen möglich ist. In dem 2. Teil wurde die praktische Machbarkeit des QI-Sets untersucht.

Methode: Die Entwicklung des QI-Sets wurde mit einer Literaturrecherche, einer nachfolgenden Bearbeitung der gefundenen QI und durch einen mehrstufigen Konsensusprozess von einem internationalen Experten-Panel mittels einer modifizierten RAND/UCLA Appropriateness Methode durchgeführt.

Für die Testung der praktischen Machbarkeit wurden europaweit Kinder- und Jugendärzte online befragt. Die QI wurden anhand folgender Kriterien, die die „Machbarkeit“ (Feasibility) in der Studie definieren, bewertet. Die PPC-Ärzte eruierten anhand ihrer Krankenakten, ob die Daten für die QI in den europäischen Praxen vorhanden sind, mit welchem Aufwand sie zu erheben sind, ob die QI für ihre Praxen zutreffen, relevant und reliabel sind und von ihnen akzeptiert werden können. Länderkoordinatoren wählten gezielt Praxen aus, die möglichst unterschiedliche Praxis-Typen beinhalten sollten. Die Studie war explorativ angelegt mit dem Ziel, aus 10 Ländern je 10 Praxen zu rekrutieren.

Ergebnisse: Die 1. Teilstudie ergab nach der Literaturrecherche einen QI-Satz von 1516 QI, der durch das Experten-Panel in der Folge teilweise zusammengefasst und umformuliert oder mangels Evidenz oder Machbarkeit auf 50 reduziert wurde. Von diesen 50 QI wurden schließlich 42 konsentiert. Die QI können inhaltlich in 5 Kategorien eingeteilt werden: A. Gesundheitsförderung, Prävention und Screening (13 QI), B. akute Krankheitsbilder (9 QI), C. chronische Krankheiten (8 QI), D. Praxisorganisation (3 QI), Patientensicherheit (9 QI).

79 Kinderärzte aus 8 europäischen Ländern nahmen an der 2. Teilstudie teil. In der Stichprobe sind die Daten für die Berechnung der QI vorhanden, der technische Aufwand für ihr Auslesen zeitaufwendig und die Machbarkeit eingeschränkt. Akzeptanz, Relevanz und Reliabilität sowie ein Zutreffen der QI für die Praxis wurden höher bewertet, innerhalb der einzelnen QI-Kategorien aber sehr unterschiedlich. Die QI-Kategorie A. zeigte in nahezu allen Werten die höchsten Zustimmungsraten. Die geringfügig vorhandenen, länder-spezifischen Trends können aufgrund der gezielt ausgewählten Studien-Teilnehmer und der statistisch zu kleinen Stichprobe nicht sicher interpretiert werden.

Diskussion: Ein valides und machbares QI-Set für europäische PPC-Ärzte mit einer großen inhaltlichen Bandbreite konnte mit COSI-PPC-EU zusammengestellt werden. Das Set unterscheidet sich von anderen QI-Sets durch seine gezielte Ausrichtung auf PPC-Einrichtungen und umfasst neben rein medizinischen Indikatoren auch solche für Praxismanagement und Patientensicherheit. Die von den PPC-Experten konsentierten QI und deren Evidenz sind vergleichbar mit anderen PPC-QI-Sets, die jedoch länderspezifisch und nicht international ausgerichtet sind. Dies bestätigt sich in der Machbarkeitsstudie anhand der Zustimmungswerte durch die PPC-Ärzte für die Akzeptanz, Relevanz und Reliabilität sowie dem Zutreffen für die europäischen Praxen. Technische Hürden scheinen die Verfügbarkeit der vorhandenen Daten zur Berechnung der QI zu behindern und die Machbarkeit zum jetzigen Zeitpunkt zu mindern.

Praktische Implikationen: Sollten die Akteure in den Gesundheitssystemen und die europäischen Gesundheitspolitiker ein wahres Interesse an einem Benchmarking haben, so wie sie es in dem aktuellen EU-Gesundheitsprogramm fordern, müssen die politischen, finanziellen und juristischen Voraussetzungen für die technische Datenerhebung der zusammengestellten QI geschaffen werden. COSI-PPC-EU kann dann ein Voneinander-Lernen der PPC-Ärzte in Europa ermöglichen und nicht nur die Cross-Border-Medizin pädiatrischer Patienten verbessern helfen, sondern auch die Versorgung von Kindern und Jugendlichen an sich.

Finanzielle Unterstützung: Die erste Teilstudie wurde von zwei europäischen Fachgesellschaften unterstützt. Die zweite Teilstudie von einer deutschen Stiftung. Eine finanzielle Honorierung an die Teilnehmer der beiden Teilstudien wurde nicht geleistet.