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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Mindestmengen bei Kniegelenk-Totalendoprothesen 3 Jahre außer Vollzug gesetzt. Zeigen sich Auswirkungen auf die Fallzahlen?

Meeting Abstract

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  • Werner de Cruppé - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg
  • Max Geraedts - Philipps-Universität Marburg, Institut für Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie, Marburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf338

doi: 10.3205/18dkvf338, urn:nbn:de:0183-18dkvf3386

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Cruppé et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Mindestmengen sollen bei Eingriffen, deren Qualität auch von der erbrachten Menge abhängig ist, die Behandlungsergebnisse verbessern. Voraussetzung ist eine Verlagerung der Fälle, so dass alle durchführenden Krankenhäuser die qualitätssichernde Fallzahl erreichen. Seit dem Jahr 2006 gilt für Krankenhäuser in Deutschland bei der Implantation von Kniegelenk-Totalendoprothesen (OPS-Code 5-822) eine Mindestmenge von 50 Eingriffen pro Jahr. Im Zuge gerichtlicher Klärungen zur Festlegung der Mindestmenge bei diesem Eingriff war die Mindestmengenvorgabe in den Jahre 2012, 2013 und 2014 allerdings außer Vollzug gesetzt und ist seit 2015 in gleicher Höhe wieder gültig.

Fragestellung: Welchen Einfluss hat die Außervollzugsetzung der Mindestmengenvorgabe für Kniegelenk-Totalendoprothesen in den Jahren von 2012 bis 2014 auf die jährliche, bundesweite Gesamtfallzahl, die Anzahl Krankenhäuser, die diesen Eingriff jährlich durchführen und deren Fallzahlen?

Methode: Längsschnittliche Analyse der Sekundärdatenquelle Krankenhausqualitätsberichte der Berichtsjahre: 2006, 2008, 2010, 2012 und 2014 zur Anzahl Krankenhäuser, die Implantationen von Kniegelenk-Totalendoprothesen durchführen und deren jährliche Fallzahlen. Unterschiede hinsichtlich der 3 Krankenhausmerkmale Trägerschaft (öffentlich, freigemeinnützig und privat), Region (Nord-West, Süd und Ost) und Größe (< = 100 Betten, > 100 bis < = 500 und > 500 Betten) werden statistisch mehrfaktoriell varianzanalytisch mit Messwiederholungen überprüft. Für die bundesweiten Gesamtfallzahlen werden die jährlichen Berichte der externen Qualitätssicherung zu den gemeldeten Implantationen von Kniegelenk-Totalendoprothesen der Jahre 2004 bis 2016 deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Bundesweit ergeben die jährlichen Daten der externen Qualitätssicherung von 2004 bis 2013 recht konstant um 1050 Krankenhäuser, die diese Eingriffe durchführen. Ab 2014 steigt die Krankenhauszahl dann auf etwa 1150 an. Die Gesamtfallzahl steigt von 2004 bis 2008 von 110.349 auf 146.318 an, bleibt auf dieser Höhe bis 2011 und fällt dann auf Werte um 130.000 in den Jahren 2012 bis 2014 ab, um darauf binnen 2 Jahren bis auf 165.534 in 2016 erneut stark anzusteigen.

Auf Krankenhausebene zeigen die veröffentlichten Daten der Qualitätsberichte bis 2010 eine Abnahme der Krankenhäuser, die weniger als 50 Eingriffe pro Jahr durchführen, auf 10% der im jeweiligen Jahr diese Eingriffsart durchführenden Krankenhäuser. Von 2012 bis 2014 steigt dieser Anteil auf 26% an. Der Anteil der in Krankenhäusern mit weniger als jährlich 50 Eingriffen behandelten Patienten sinkt bis 2010 auf 2% und liegt ab 2012 bis 2014 bei 6%. Die Krankenhausmerkmale Trägerschaft, Region und Größe haben keinen Einfluss auf die Fallzahl von mehr oder weniger als jährlich 50 durchgeführten Eingriffen, auch nicht in Wechselwirkung mit der Zeit. Lediglich die Zeit hat einen signifikanten Einfluss, ob weniger oder mehr als 50 Eingriffe durchgeführt werden.

Diskussion: Mindestmengenvorgaben sollen dazu beitragen, die Qualität der medizinischen Versorgung zu verbessern. Dazu ist die Verlagerung von Behandlungsfällen aus Krankenhäusern mit Fallzahlen unter den Vorgaben notwendig bzw. eine Fallzahlerhöhung bis über die Vorgabe. Eine Zentralisierung der in Deutschland unter die Mindestmengenvorgaben fallenden Eingriffe hat bisher nicht stattgefunden.

Die hier gefundenen Ergebnisse zeigen gleichwohl einen Einfluss der Mindestmengenvorgabe auf die Fallzahlen der Krankenhäuser bei Implantationen von Kniegelenk-Totalendoprothesen. Mit dem Inkrafttreten der Mindestmengenvorgaben ab 2006 steigen die Fallzahlen, sistieren dann und mit Außervollzugsetzung der Vorgabe von 2012 bis 2014 sinkt sie wieder deutlich um 10% ab, um erneut mit der Wiedereinführung ab 2015 deutlich um 25% anzusteigen. Auf Krankenhausebene ist das Ergebnis der steuernden Wirkung von Mindestmengenvorgaben für diesen Eingriff in Deutschland an der Anzahl durchführender Krankenhäuser mit Fallzahlen unter der Mindestmenge von 50 Eingriffen zu erkennen. Solche Krankenhäuser nehmen von 10% auf 25% aller durchführenden Krankenhäuser in einem Jahr zu und der Anteil dort behandelter Patienten steigt um das Dreifache von 2% auf 6% an. Dabei gibt es auf Krankenhausebene keinen Zusammenhang mit der Trägerschaft, Region oder Größe. Allein die Zeit, also das in oder außer Kraft setzen der Mindestmengenvorgabe hat einen Einfluss.

Schlussfolgerung: Bei Implantationseingriffen von Kniegelenk-Totalendoprothesen in deutschen Krankenhäusern wirkt die Mindestmengenvorgabe steuernd auf das Eingriffsverhalten auf Krankenhausebene. Bei bestehenden Vorgaben steigt die Fallzahl auf Krankenhausebene, ohne bestehende Vorgaben sinkt die Fallzahl je Krankenhaus.