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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Präventive Beratung zur Übergewichts- und Adipositasprävention in der Schwangerschaft: „GeMuKi – Gemeinsam Gesund: Vorsorge plus für Mutter und Kind“

Meeting Abstract

  • Franziska Krebs - Uniklinik Köln, Universität zu Köln, Institut für Gesundheitsökonomie, Köln
  • Farah Nawabi - Uniklinik Köln, Universität zu Köln, Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie, Köln
  • Laura Lorenz - Uniklinik Köln, Universität zu Köln, Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie, Köln
  • Anne-Madeleine Bau - Plattform Ernährung und Bewegung e.V., GeMuKi, Berlin
  • Adrienne Alayli - Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Forschung und Qualitätssicherung, Köln
  • Cornelia Wäscher - Plattform Ernährung und Bewegung e.V., GeMuKi, Berlin
  • Stephanie Stock - Uniklinik Köln, Universität zu Köln, Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie, Köln

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf323

doi: 10.3205/18dkvf323, urn:nbn:de:0183-18dkvf3233

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Krebs et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Das spätere Übergewichtsrisiko sowie das Risiko chronischer Erkrankungen (z.B. Diabetes mellitus) beim Kind werden bereits während der Schwangerschaft durch den mütterlichen Lebensstil und die Gewichtszunahme beeinflusst (pränatale Programmierung). Jede dritte Frau im reproduktionsfähigen Alter gilt als übergewichtig und bei 53 % der Schwangeren übersteigt die Gewichtzunahme die Empfehlungen des Institute of Medicine. Auf Basis dieser Erkenntnisse wird eine individuelle präventive Lebensstilberatung in die regulären Vorsorgeuntersuchungen während der Schwangerschaft und den ersten beiden Lebensjahren des Kindes integriert.

Fragestellung: GeMuKi ist eine komplexe Intervention, die aus mehreren Komponenten besteht und in Kooperation verschiedener Leistungserbringer (Gynäkologen, Hebammen und Kinderärzte) durchgeführt wird. Die Evaluation beantwortet drei Kernfragen:

1.
Wirksamkeit: Kann eine Erweiterung der gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen um eine präventive Beratung das Risiko einer übermäßigen Gewichtszunahme während der Schwangerschaft im Vergleich zur Regelversorgung wirksam reduzieren sowie gesundheitsrelevante Endpunkte bei Mutter und Kind positiv beeinflussen, wie z.B. die Gesundheitskompetenz der Mütter?
2.
Prozess: Wie verläuft der Prozess der Implementierung von GeMuKi in die Versorgungspraxis und welche Faktoren fördern/hindern eine flächendeckende Implementierung?
3.
Wirtschaftlichkeit: Welche Kosten sind mit der Implementierung von GeMuKi verbunden und welche Auswirkungen hat die Implementierung auf die Leistungsinanspruchnahme?

Methode: Die neue Versorgungsform GeMuKi ergänzt die gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft und nach der Geburt durch eine strukturierte, niedrigschwellige Präventionsmaßnahme in den Bereichen Bewegung, Ernährung und Genussmittelkonsum. Ziele sind die Reduktion des Übergewichts- und Adipositasrisikos bei Mutter und Kind, die Stärkung der Gesundheitskompetenz werdender Mütter, die Vernetzung des medizinischen Fachpersonals sowie die Stärkung deren kommunikativer Kompetenz.

GeMuKi wird in insgesamt 8 Regionen Baden-Württembergs durchgeführt. In den 4 Interventionsregionen erfolgt zu 12 Zeitpunkten eine individuelle Beratung durch die Leistungserbringer in der Versorgungskette. Unterstützt werden diese durch eine Datenplattform mit Benutzeroberfläche, in der die Leistungserbringer unter anderem die Gewichtsentwicklung der Teilnehmerin dokumentieren. Die teilnehmenden Frauen erhalten eine App, in der Zielvereinbarungen zwischen Arzt und Teilnehmerin sichtbar werden. Die Schwangeren der 4 Kontrollregionen erhalten die Regelversorgung.

Im Rahmen einer cluster-randomisierten kontrollierten Studie, in die 2550 Schwangere eingeschlossen werden, finden zu 5 Zeitpunkten elektronische Befragungen zu Gesundheitskompetenz, Lebensstil und psychischer Gesundheit der Teilnehmerin statt. Zusätzlich werden Gewichtsentwicklung und zahlreiche Gesundheitsdaten (Mutter und Kind) zu jedem Vorsorgezeitpunkt über die Datenplattform erfasst. Anhand der GKV-Routinedaten wird die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen untersucht. Parallel werden im Rahmen der Prozessevaluation durch Fokusgruppen und Interviews mit den Leistungserbringern förderliche und hemmende Faktoren der Implementierung identifiziert.

Die Daten der summativen Evaluation werden über deskriptive Verfahren, Tests und Regressionsmodelle in SAS und R statistisch ausgewertet. Das Körpergewicht der Mutter bildet hierbei die abhängige Variable. Die Daten der formativen Evaluation werden mithilfe qualitativer Inhaltsanalysen (in Anlehnung an Mayring) ausgewertet.

Ergebnisse: Durch eine gezielte Präventionsmaßnahme mit Beginn der Schwangerschaft soll das Risiko für Übergewicht und Adipositas sowie chronische Erkrankungen reduziert werden.

Mit Abschluss der Studie in 2021 kann die Wirksamkeit, der Implementierungsprozess und die Wirtschaftlichkeit der neuen Versorgungsform bewertet werden.

Diskussion: GeMuKi trägt der Forderung nach langfristigen, niedrigschwelligen, multimodalen Interventionen mit Einbettung in Lebenswelten und bereits vorhandene Netzwerkstrukturen Rechnung. Die präventive Beratung im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen zielt auf die Reduktion des Übergewichts- und Adipositasrisikos, die Verbesserung der Gesundheitskompetenz und die Ausbildung gesundheitsförderlicher Verhaltensweisen ab. Darüber hinaus wird durch bessere Vernetzung und Schulung der Fachakteure in der Versorgungskette neben der Verhaltensprävention auf Personenebene auch die Verhältnisprävention auf Strukturebene berücksichtigt.

Praktische Implikationen: Bei positiver Bewertung der Wirksamkeit, des Implementierungsprozesses und der Wirtschaftlichkeit des Projektes soll die neue Versorgungsform in die bundesweite Regelversorgung übernommen werden.