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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Ergebnisse einer Arbeitgeberbefragung in Thüringen. Ein Beitrag zur arbeitsmedizinischen Versorgungsforschung in Deutschland

Meeting Abstract

  • Nadja Amler - Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. (DGAUM), Modellvorhaben „Gesund arbeiten in Thüringen“, München
  • Wolfgang Fischmann - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Erlangen
  • Christine Quittkat - Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. (DGAUM), Modellvorhaben „Gesund arbeiten in Thüringen“, München
  • Sabine Sedlaczek - Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. (DGAUM), Modellvorhaben „Gesund arbeiten in Thüringen“, München
  • Thomas Nesseler - Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V. (DGAUM), Geschäftsstelle, München
  • Stephan Letzel - Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Mainz
  • Hans Drexler - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Erlangen

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf320

doi: 10.3205/18dkvf320, urn:nbn:de:0183-18dkvf3201

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Amler et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Zentrales Element des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes ist die Gefährdungsbeurteilung. Gemäß Arbeitsschutzgesetz bzw. DGUV Vorschrift 2 sind Unternehmen, unabhängig von deren Größe, zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen verpflichtet. Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen ist u. a. Grundlage für die Ableitung geeigneter Schutzmaßnahmen und damit von zentraler Bedeutung für ein systematisches und erfolgreiches Sicherheits- und Gesundheitsmanagement im Unternehmen. Dabei müssen alle relevanten Gefährdungen systematisch ermittelt und bewertet werden. Seit 2013 muss auch eine Beurteilung der psychischen Belastungen bei der Arbeit erfolgen. Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung obliegt dabei dem Arbeitgeber. Es gibt nur sehr wenige Studien, die die Umsetzung der Normen und Vorschriften im Bereich des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes umfassend untersucht haben. Vor dem Hintergrund wurden im Herbst 2017 Thüringer Unternehmen unter anderem nach dem aktuellen Stand des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes in ihren Betrieben gefragt. Die Befragung ist Teil eines großangelegten Versorgungsforschungsprojekts in Thüringen. Ziel des Projekts ist die Verbesserung des betrieblichen Gesundheitsmanagements in kleinen und mittelständischen Betrieben in ländlichen und strukturschwachen Regionen.

Fragestellung: Zielsetzung der Befragung war die Ermittlung des Status Quo des betrieblichen Gesundheitsmanagements in Thüringer Betrieben. Ein Modul befasste sich dabei mit der Frage nach der Durchführung und Ausgestaltung von Gefährdungsbeurteilungen als zentrales Element des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

Methode: Befragt wurden Thüringer Unternehmen aus allen Wirtschaftszweigen und über alle Unternehmensgrößen hinweg. Die Umfrage richtete sich dabei an die Geschäftsleitung bzw. deren Vertretung. Die Erhebung war als Querschnittsstudie konzipiert und wurde überwiegend online durchgeführt. Ergänzend fanden standardisierte Telefoninterviews statt. Der Fragebogen bestand überwiegend aus quantitativen Fragen sowie vereinzelt qualitativen Items. Die Daten wurden mittels deskriptiver Statistik in SPSS® bzw. mit verschiedenen Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung ausgewertet.

Ergebnisse: 498 der 761 befragten Unternehmen (65,4%) gaben an, Gefährdungsbeurteilungen durchzuführen. 209 (27,5%) verneinten die Frage. 39 (5,1%) bzw. 15 (2,0%) der befragten Unternehmen wussten dies nicht bzw. wollten keine Aussage zu der Frage machen. Dabei zeigten sich zum Teil deutliche Unterschiede nach Unternehmensgröße bzw. Wirtschaftszweig. In 400 (80,3%) der 498 Unternehmen wird die Gefährdungsbeurteilung in regelmäßigen Abständen aktualisiert. 153 (30,7%) der Unternehmen gaben an, dass die Gefährdungsbeurteilung lediglich in Bereichen mit besonderer Gefährdung durchgeführt wird. In 167 (33,5%) der 498 Betriebe umfasst die Gefährdungsbeurteilung die Erhebung psychischer Belastungen. Die Erhebung der psychischen Belastungen erfolgt in den befragten Unternehmen dabei überwiegend durch Beobachtung und/oder Einzelgespräche. 62 (37,1%) bzw. 54 (32,3%) der 167 Betriebe gaben an, dass die Ermittlung der psychischen Belastungen durch eine (schriftliche) Mitarbeiterbefragung bzw. durch eine (moderierte) Arbeitsplatzanalyse erfolge. Angaben der Betriebe zufolge sind üblicherweise die Geschäftsleitung, der für den jeweiligen Arbeitsbereich verantwortliche Mitarbeiter, die Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie der Sicherheitsbeauftragte an der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beteiligt. Der Betriebsarzt ist hingegen nur bei wenigen Betrieben involviert.

Diskussion: Die Ergebnisse der Befragung deuten auf eine unzureichende Umsetzung der Vorschriften im Hinblick auf die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen hin. Defizite zeigen sich dabei insbesondere bei kleinen und mittelständischen Betrieben. Die Studie kommt damit zu ähnlichen Ergebnissen wie die wenigen bestehenden Arbeiten zu der Thematik und liefert somit einen wichtigen Beitrag zur arbeitsmedizinischen Versorgungsforschung in Deutschland.

Praktische Implikationen: Die Ergebnisse der Befragung liefert einen ersten Überblick über die aktuelle Situation in Thüringen und damit wichtige Anhaltspunkte für die weitere Ausgestaltung des Projekts. Im Hinblick auf die Defizite bei der Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung soll es zunächst darum gehen die bestehenden Versorgungslücken bestmöglich zu schließen. An erster Stelle steht hier der Aufbau eines angemessenen Informations- und Unterstützungsangebots für die Unternehmen. In dem Zusammenhang gilt es auch die Zusammenarbeit der Sicherheitsfachkräfte und Betriebsärzte zu optimieren. Die Nutzung neuer Herangehensweisen wie Telekonsultation erscheint hierbei vielversprechend.