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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Therapieoptionen für abdominale Adipositas im Erwachsenenalter: Systematischen Review und Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien

Meeting Abstract

  • Dorothea Kesztyüs - Universität Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm
  • Julia Erhardt - Beuth Hochschule für Technik, Fernstudieninstitut, Berlin
  • Dorothée Schönsteiner - Universität Ulm, Institut für Allgemeinmedizin, Ulm
  • Tibor Kesztyüs - Hochschule Ulm, Fakultät Informatik, Ulm

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf317

doi: 10.3205/18dkvf317, urn:nbn:de:0183-18dkvf3177

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Kesztyüs et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Abdominale Adipositas, oder die Ansammlung von Fett in der Bauchregion, ist die Hochrisikoform von Adipositas und das sichtbare Zeichen einer metabolischen Störung. Daher ist der Bauchumfang auch ein obligatorisches Kriterium der Definition des Metabolischen Syndroms. Folge- und Begleiterkrankungen sind in erster Linie Typ 2 Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD), aber auch Nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) und weitere nicht übertragbare Krankheiten (NCD), mittlerweile führende Todesursache weltweit. Die Identifikation effektiver Therapieoptionen für abdominale Adipositas ist daher von besonderer Bedeutung, um sowohl der Zunahme ihrer Prävalenz als auch dem weiteren Ansteigen der assoziierten NCDs präventiv entgegenzuwirken. Ein bereits existierender Review konnte bei der Suche in einschlägigen Datenbanken und im Internet nicht gefunden werden. Das Protokoll des vorliegenden Reviews wurde im internationalen prospektiven Register für Protokolle systematischer Reviews PROSPERO registriert: CRD42017057898.

Fragestellung: Welche therapeutischen Optionen zur Behandlung abdominaler Adipositas im Erwachsenenalter stehen zur Verfügung? Erstellung eines Überblicks über Verhaltens-, Lebensstil und pharmazeutische Interventionen sowie kombinierte Ansätze, deren Wirksamkeit und potenzielle Nebenwirkungen.

Methode: Systematische Literaturrecherche in Medline, Embase und dem Cochrane Central Register of Controlled Trials (CCRCT) sowie den Referenzlisten der eingeschlossenen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs). Title-Abstract Scan der Trefferlisten der Literaturrecherche und anschließende Volltextscans nach vorher festgelegten Ein- und Ausschlusskriterien durch zwei Wissenschaftler (JE, DS). Diskrepanzen wurden durch einen dritten Wissenschaftler gelöst (DK). Extraktion aller wichtigen Daten bezüglich der Studiendetails: Setting, Anzahl der Teilnehmer, Beschreibung und Komponenten der Intervention und Kontrolle, Basischarakteristika der Teilnehmer (z.B. Altersgruppe, Geschlecht, Gesundheitszustand), Dauer der Intervention und des Follow-Up, Ausgangswert und Änderungen im Bauchumfang als Ergebnismaß, sowie berichtete Nebenwirkungen. Alle eingeschlossenen RCTs erhielten ein Rating anhand des „Cochrane Collaboration’s tool for risk of bias assessment (SCORE)“. Metaanalyse der Differenzen zwischen Interventions- und Kontrollgruppe in den absoluten longitudinalen Änderungen des Bauchumfangs als Maß abdominaler Adipositas von Baseline zu Follow-Up. Metaregression zur Klärung von Unterschieden zwischen Interventionstypen.

Ergebnisse: Von 2954 Artikeln verblieben nach Prüfung der Ein-/Ausschlusskriterien 15 Studien mit 2918 Teilnehmern. Insgesamt erreichten die Programme eine Reduktion von -2,65 cm (95% Konfidenzintervall (CI) [-3,77; -1,53]) des Bauchumfangs, und damit 2,5% von einem Ausgangswert von durchschnittlich 102,7 cm. Acht Verhaltensinterventionen reduzierten den Bauchumfang um 1,88 cm (95% CI [-2,55; -1,22]), sechs kombinierte Interventionen mit Verhaltens- plus Ernährung- und/oder körperlicher Aktivitätskomponente um -4,11 cm (95% CI [-6,17; - 2,05]). Die Metaregression ergab eine signifikante Differenz von -2,39 cm (p=0,024) zwischen beiden Interventionstypen zugunsten des kombinierten Ansatzes. Die einzige pharmazeutische Studie konnte keinen Effekt auf den Bauchumfang feststellen, aber eine Reduktion der viszeralen Fettmasse.

Diskussion: Zusammengenommen zeigten die Interventionen nur einen moderaten Effekt. Ein möglicher Grund dafür kann die Ausrichtung der eingeschlossenen Studien sein, nur wenige zielten direkt auf abdominale Adipositas ab, bei den meisten Untersuchungen war Bauchumfang ein sekundärer Ergebnisparameter. Die Ergebnisse der Verhaltensinterventionen waren homogen, die der kombinierten Interventionen wiesen eine erhebliche Heterogenität auf, was auf die unterschiedliche Wirksamkeit und Intensität der verschiedenen Komponenten (Diät, körperliche Aktivität, Verhaltenstherapie) zurückgeführt werden kann. Nur eine Studie erreichte ein insgesamt niedriges Bias-Risiko, alle anderen zeigten ein hohes oder unklares Risiko.

Praktische Implikationen: Verhaltenstherapie allein zeigt nur einen geringen Effekt auf abdominale Adipositas. Ein kombinierter Ansatz mit Diät und körperlicher Aktivität wird daher dringend empfohlen. Abdominale Adipositas ist ein bisher in der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung vernachlässigter Risikofaktor. Zwar gibt es eine S3 Leitlinie zu allgemeiner Adipositas, nicht jedoch zu der eigentlichen Hochrisikovariante der abdominalen Adipositas, auf die in der Leitlinie nur sehr kursorisch eingegangen wird. Mehr Studien zu Interventionen zur gezielten Reduktion des Bauchumfangs werden angesichts der sich epidemisch ausbreitenden NCDs wie Typ 2 Diabetes, CVD und NAFLD sowohl als Präventivmaßnahme als auch als therapeutische Mittel dringend gebraucht, um eine gute gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können.