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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Altersbedingte Makuladegeneration und ihre Folgen aus Sicht von Betroffenen – eine Metasynthese

Meeting Abstract

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  • Anne Thier - Medizinische Hochschule Brandenburg, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Berlin
  • Christine Holmberg - Medizinische Hochschule Brandenburg, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Brandenburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf312

doi: 10.3205/18dkvf312, urn:nbn:de:0183-18dkvf3121

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Thier et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Die altersabhängige Makuladegeneration (AMD) stellt mit fünfzig Prozent einer der häufigsten Ursachen für Erblindung und Sehbehinderung im Alter (>60 Jahre) dar, gefolgt vom Glaukom (grünem Star) und der diabetischen Retinopathie. Aufgrund der demographischen Entwicklung in Deutschland wird der Versorgungsbedarf für Menschen mit AMD deutlich steigen. Dabei scheinen Betroffene mit AMD nicht ausreichend über Versorgungsangebote, wie technische Hilfsmittel und/oder (psycho)soziale Beratungsangebote, aufgeklärt und der Zugang zu solchen Angeboten außerhalb des medizinischen Sektors scheint eher zufällig zu sein. Eine besondere Schwierigkeit ist dabei, dass Menschen mit AMD häufig auch mit anderen altersbedingten Einschränkungen und Erkrankungen zu tun haben. Daraus ergeben sich ganz besondere Herausforderungen an eine bedarfsgerechte Versorgung alter Menschen mit AMD. Um die Versorgung von AMD- Betroffenen zu verbessern, ist daher die Erhebung und das Verstehen der Betroffenenperspektive von zentraler Bedeutung. Um den aktuellen Wissensstand zum Versorgungsbedarf aus Sicht von Betroffenen mit AMD zusammenzufassen, wurde eine Metasynthese qualitativer Forschungen im Bereich der AMD-Versorgung in Deutschland durchgeführt. Der Fokus der Metasynthese liegt auf dem Erleben des Alltags von Betroffenen mit AMD und deren momentane Versorgungssituation.

Fragestellung: Was bedeutet die Verschlechterung des Sehens aufgrund der AMD für Menschen im Alter? Wie schätzen die Betroffenen mit AMD ihre Versorgungssituation ein?

Methode: Vier Online- Datenbanken (Pubmed, PsycArticles, Web Science of Knowledge, Google Scholar) wurden mit einer systematischen Suchstrategie durchsucht. Folgende Kriterien und Begriffe der Suche wurden genutzt: Publiziert zwischen 2000 und 2018; age related macula(r) degeneration, qualitative (research), interview, patient's perspective, AMD, qualitative (Forschung), altersbedingte Makuladegeneration, altersabhängige Makuladegeneration. Einschlusskriterien waren qualitative Studien, die Erfahrungen von Betroffenen mit der altersabhängigen Makuladegeneration untersuchten. Die gefundenen Artikel wurden nach Relevanz geprüft, bewertet und danach synthetisiert.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 6 Artikel identifiziert, die den Einschlusskriterien entsprachen. Die Qualität der Artikel wurde anhand der von Dixon und Wood entwickelten Checkliste geprüft. Danach wurde der Inhalt der identifizierten und qualifizierten Artikel (Forschungsfrage, Studienziel, Methodik, Ergebnisse, Diskussion und Limitationen) in eine Excel-Datei übertragen. Alle Studien führten qualitative Interviews durch. Zuätzlich wurden in zwei Studien noch Fokusgruppen mit Betroffenen mit AMD und Krankenpflegepersonal, das auf AMD spezialisiert war, eingesetzt. Die Stichprobengröße variierte erheblich zwischen den Studien, von einer Studie, die sich auf das Zusammenleben von zwei AMD Betroffenen konzentrierte, bis hin zu 364 Teilnehmern an einer Studie. Die Rekrutierung der TeilnehmerInnen der Studien erfolgte meist über auf AMD spezialisierte Augenärzte und -kliniken. Nur eine Studie fand ihre zwei Teilnehmer in einem Sample einer vorangegangen Studie. In einer Studie wurden gezielt ältere Frauen gesucht, die von einer altersbedingten Makuladegeneration betroffen waren und Schirmherrin einer sozialen Organsiation von Blinden waren.

Das mittlere Alter, der Betroffenen mit AMD lag in vier Studien zwischen 81 und 82.79 und bei einer Studie bei 75.4 Jahren. Die Datenanalyse der identifizierten Studien erfolgte nach unterschiedlichen Konzepten (Cohen's Kappa, Saldana's Kodes, Braun & Clarke, Interpretative phenomenologische Analyse, Methode nach Giorgi und beschrieben von Parse, Coyne und Smith).

Diskussion: Alle sechs Artikel nutzten qualitative Interviews, um Erfahrungen der AMD-Betroffenen zu beschreiben und zu verstehen. Die Vielfältigkeit der Erfahrungen kann aufgrund der gewählten Studienpopulation und z.T. der Stichprobengröße nicht dargestellt werden. Die Erfahrungen von jungen (60 bis 80 Jahre) und sehr alten AMD-Betroffen (über 85 Jahre) wurde in den identifizierten Artikeln nicht untersucht. Auch die Wahl der Interviewteilnehmer der einzelnen Studie ist nicht vielfältig genug, um die Perspektive von AMD- Betroffenen zu verdeutlichen.

Praktische Implikationen: Um die Erfahrungen von Betroffenen mit AMD und deren Versorgungssituation zu untersuchen, bedarf es weiterer Forschung, v.A. mit sehr jungen und sehr alten AMD- Betroffenen, die durch eine Vielzahl lebensweltlicher Erfahrungen gekennzeichnet sind. Auswahlkriterien für zukünftige Studienteilnehmer sollten geographische Aspekte, wie städtischer und ländlicher Raum und verschiedene Regionen, soziale Aspekte, wie allein lebend, sozioökonomische Aspekte, wie Bildungsgrad, sowie medizinische Aspekte, wie Zeit seit Diagnose und Schwere der Erkrankung/Einschränkung umfassen.