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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Die aufsuchende zahnmedizinische Betreuung als gemeinsame Lernbasis: ein differenziertes zahnmedizinisches Versorgungsangebot für unterschiedliche Berufsgruppen

Meeting Abstract

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  • Angela Stillhart - Universität Zürich, Zentrum für Zahnmedizin, Klinik für Allgemein-, Behinderten- und Seniorenzahnmedizin, Zürich
  • Ina Nitschke - Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik und Werkstoffkunde, Universität Leipzig, Leipzig

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf259

doi: 10.3205/18dkvf259, urn:nbn:de:0183-18dkvf2597

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Stillhart et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die wachsende ältere Bevölkerung, besonders der pflegebedürftigen Bevölkerung in ambulanter wie stationärer Pflegesituation bedarf der aufsuchenden zahnmedizinischen Betreuung, um die Mundgesundheit in jeder Wohn-, Pflege- und Gesundheitssituation sicherzustellen. Die Gestaltung der Rahmenbedingungen zur interprofessionellen Ausbildung aller in die zahnmedizinische Versorgung involvierter Berufsgruppen (Zahnmediziner, Dentalhygienikerinnen, zahnmedizinische Fachangestellte) einerseits und die Zusammenarbeit mit den kooperierenden Partnern ist eine Herausforderung.

Fragestellung: Welche Grundvoraussetzungen sind für differenzierte und übertragbare Lehrmodelle für die aufsuchende Betreuung im Rahmen der Ausbildung von Studierenden der Zahnmedizin, der Dentalhygiene, zahnmedizinischer Fachangestellten und Pflegpersonal erforderlich?

Methode: Mit dem Konzept „mobiDent“ bietet die Universität seit 1996 ein Ausbildungskonzept für Studierende der Zahnmedizin und Dentalhygiene, zahnmedizinischen Fachangestellten und Pflegepersonal für die aufsuchende Betreuung von Senioren an. In 2017 wurden 1589 Patienten in 36 kooperierenden Pflegeeinrichtungen und 3 Krankenhäuser durch die aufsuchende zahnärztliche Praxis „maxi-mobiDent“ (Ausrüstung entspricht jener einer Zahnarztpraxis inkl. Sterilisation und Röntgen) und die kleinere Versorgungseinheit „mini-mobiDent“ (Ausrüstung wird bedürfnisorientiert für jeden Einsatz instrumentiert) wahrgenommen. Im Rahmen von etwa 100 Einsatztagen, konnten bei den betreuten Patienten eine Kontrolle und eine Zahn-/Prothesenreinigung durchgeführt werden, bedürfnisgerecht ergänzt durch konservierende, prothetische und/ oder chirurgische Leistungen.

Das klinische Team im maxi-mobiDent besteht aus zwei Zahnärzten, einer zahnmedizinischen Fachangestellten (ZFA) und einer auszubildende ZFA. Je nach Kurs wird das Team durch 2 Studierende der Zahnmedizin des 9. und 10 Semesters oder 4 Studierende der Dentalhygiene mit Ausbildnerin ergänzt. Das mini-mobiDent besteht aus einem Zahnarzt und einer ZFA. Die zahnmedizinischen klinischen Teams werden pro Einsatztag je nach teilnehmender Berufsgruppe, Eignung der betreuten Einrichtung und Patientenrisiko zusammengestellt. An der Schnittstelle arbeitet eine Pflegekraft, die zum Oral Health Care Manager vom mobiDent-Team ausgebildet wurde.

Die mobiDent-Ausrüstung, wird durch einen gemeinnützigen Verein getragen und das Lehrpersonal durch die Universität gestellt. Die Finanzierung erfolgt durch Einnahmen aus der Patientenbehandlung.

Ergebnisse: Das Lehrmodell „aufsuchende Betreuung mittels mobiDent“ basiert auf dem Vorhandensein eines zahnmedizinischen Versorgungsangebotes für Menschen mit unterschiedlicher zahnmedizinischer funktioneller Belastbarkeit, Wohnformen (Alterswohnungen, betreutes Wohnen, Demenzhäuser, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung im Alter, Alters-/Pflegezentren), Gesundheitseinrichtungen (Akutgeriatrie, Überbrückungspflege, Rehabilitationszentren, Allgemeinkrankenhaus) wobei die Patienten kontinuierlich bis ans Lebensende durch drei verschiedene zahnmedizinische Berufsgruppen betreut werden. In 2017 fanden 60 % der schriftlich befragten Studierenden der Zahnmedizin das der Lehrstoff an geeigneten Patienten vermittelt worden und für 47 % eine neue menschliche Erfahrung, für 63% körperlich und für 43 % psychisch anstrengend war.

Diskussion: Das Lehrmodell - aufsuchende Betreuung mit dem Versorgungskonzept „mobiDent“ - bietet differenzierte Möglichkeiten an, um die Wohn-, Pflege- und Gesundheitssituation älterer Menschen für verschiedene Berufsgruppen auf unterschiedlichen Ausbildungsniveaus kennenzulernen. Die Herausforderung besteht darin genügend im Fach der Seniorenzahnmedizin erfahrene klinische Mitarbeiter aufzubauen, welche durch ein administratives Team im logistischen Bereich ergänzt wird. Eine klare schriftliche Prozess- und Arbeitsteilungen erleichtern die interprofessionelle und die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Bildungs- (z.B. Dentalhygieneschule) und Versorgungskooperationspartner (z.B. Ärzte in Pflegeeinrichtung bzw. Geriater, Hausärzte, Pflegeexperten, stationär/ambulant Pflegenden, gesetzlich Betreuenden, Sekretariaten, Sozialarbeitenden, Transportdiensten, ehrenamtlichen Mitarbeitenden, Angehörigen).

Praktische Implikationen: Das Lehrmodell steht für ein Modellbeispiel eines sehr differenzierten gerostomatologischen Aus- und Fortbildungsangebot, welches die Bedürfnisse des Seniors konzeptuell ins Zentrum stellt.

Für die Übertragung des Modells auf andere Universitäten ist die Stärkung des Faches der Seniorenzahnmedizin auf Leitungsebene erforderlich. Auch die Stärkung des klinischen und des Lehrpersonals mittels Trennung und Entlastung von administrativen Aufgaben in Zusammenhang mit der Patientenbetreuung ist wichtig. Als Einstieg in die aufsuchende Betreuung eignet sich das „mini-mobiDent Versorgungsmodell“ welches bei entsprechender Nachfrage zu „maxi-mobiDent“ erweitert werden kann.