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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Implementierung einer interprofessionellen Lehreinheit „Evidenzbasierte Versorgung von Menschen mit Demenz“

Meeting Abstract

  • Denise Wilfling - Universität zu Lübeck, Lübeck
  • Kristina Flägel - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck
  • Jost Steinhäuser - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Institut für Allgemeinmedizin, Lübeck
  • Katrin Balzer - Universität zu Lübeck, Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Lübeck

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf257

doi: 10.3205/18dkvf257, urn:nbn:de:0183-18dkvf2572

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Wilfling et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Versorgung von Menschen mit Demenz stellt für alle Beteiligten eine Herausforderung dar, vor allem aufgrund der nichtkognitiven Symptome wie Aggressivität, Ruhelosigkeit und Depression. Empirische Befunde zeigen eine häufige Anwendung unangemessener Behandlungs- und Pflegestrategien für die Vermeidung oder Reduktion dieser Symptome [1], [2]. Als Ursache werden unter anderem Bedarfe im fachlichen Wissen und Können der beteiligten Berufsgruppen sowie Barrieren in der ärztlich-pflegerischen Zusammenarbeit diskutiert [1], [3]. Dies unterstreicht einen Verbesserungsbedarf bei der Kompetenzentwicklung beider Berufsgruppen.

Im Rahmen eines fünfjährigen Projektes (2013 bis 2018) wurde eine interprofessionelle Lehreinheit für Medizin- und Pflegestudierende sowie Pflegeauszubildende zum Thema „Interprofessionelle evidenzbasierte Versorgung von Menschen mit Demenz“ entwickelt, pilotiert und als Wahlfach implementiert. Gegenstand dieses Beitrags ist die Evaluation der nach der Pilotphase revidierten Lehreinheit im Sommersemester (SoSe) 2017 und Wintersemester (WiSe) 2017/2018.

Fragestellung: Die Evaluation verfolgte formative und summative Fragestellungen, darunter die Akzeptanz und die Machbarkeit der Lehreinheit sowie potenzielle Effekte auf die selbst berichtete und die objektiv beobachtbare Kompetenzentwicklung.

Methode: Es wurde eine Evaluation mittels Prä-Post-Design durchgeführt. Eingeschlossen waren alle teilnehmenden Studierenden und Auszubildenden. Jeweils zu Beginn und am Ende der Lehreinheit füllten die Teilnehmenden einen standardisierten Fragebogen aus, der unter anderem Fragen zu Wissen und Einstellungen (beide Messzeitpunkte) sowie zur Zufriedenheit mit der Konzeption und Durchführung der Lehreinheit und zum selbsteingeschätzten Kompetenzgewinn (jeweils nur bei der Nachher-Erhebung) enthielt. Im WiSe 2017/2018 (n=7) wurden zusätzlich Daten zu Wissen und Einstellungen zur Versorgung von Menschen mit Demenz (gemessen mit dem Approach to Dementia Questionnaire) erhoben. Die Daten wurden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Insgesamt nahmen 20 Lernende (6 Medizinstudierende, 8 Pflegestudierende und 6 Pflegeauszubildende) teil. In beiden Durchgängen wurde die Qualität der Lehrveranstaltung im Durchschnitt mit „2“ (Min–Max 1–2) bewertet. Vor allem das problemorientierte Lernen, das Kommunikationstraining mit Simulationspatientinnen und -patienten, die Hospitationen in Pflegeeinrichtungen sowie der interprofessionelle Charakter wurden sehr geschätzt. Alle Teilnehmenden gaben an, das Training weiterempfehlen zu wollen und sahen einen positiven Effekt für alle Berufsgruppen. Der Wissenscore konnte durch die Lehreinheit im WiSe von anfangs durchschnittlich 6 Punkten (SD 1,4; Min–Max 4–8) auf 11 (SD 0,9; Min–Max 10–13) von 15 möglichen Punkten gesteigert werden. Die im Prä-Test bereits positive Einstellung gegenüber Menschen mit Demenz (MW 69,6; SD 3,4) wurde nochmals leicht gesteigert (MW 73,7; SD 4,2).

Diskussion: Die Ergebnisse bestätigen die Akzeptanz und die Machbarkeit der interprofessionellen Lehreinheit aus der Sicht der Lernenden. Auch weisen sie darauf hin, dass die Lehreinheit das Wissen und die Einstellungen der Lernenden zur berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit und Versorgung der Betroffenen positiv beeinflussen kann. Auf der Basis der Evaluationsergebnisse wird die Lehreinheit nochmals punktuell angepasst, mit dem Ziel, sie regelhaft in die lokalen Curricula zu verankern.

Praktische Implikationen: Durch die Förderung des interprofessionellen Austauschs bereits in der Ausbildung und die Fokussierung auf den Umgang mit herausfordernden Versorgungssituationen kann die Lehreinheit zukünftigen Pflegenden und Ärztinnen und Ärzten wichtige Handlungskompetenzen für eine evidenzbasierte Versorgung von Menschen mit Demenz vermitteln. Eine konstruktive, von gegenseitiger Wertschätzung geprägte Zusammenarbeit wird zusätzlich gefördert. In eigenen Nachfolgestudien soll evaluiert werden, inwieweit einzelne Komponenten der Lehreinheit für die interprofessionelle Fortbildung, z. B. von pflegerischem und ärztlichem Personal in der Akutversorgung, genutzt werden und zu einer höheren Versorgungsqualität beitragen können.


Literatur

1.
Balzer K, Butz S, Bentzel J, Boulkhemair D, Lühmann D. Medical specialist attendance in nursing homes. GMS Health Technol Assess. 2013;9:Doc02. DOI: 10.3205/hta000 108 Externer Link
2.
Köpke et al. Effect of a guideline-based multicomponent intervention on use of physical restraints in nursing homes: a randomized controlled trial. JAMA. 2012;307: 2177–84.
3.
Van den Bussche et al. Zufriedene Hausärzte und kritische Pflegende – Probleme der interprofessionellen Zusammenarbeit in der Versorgung zu Hause lebender Menschen mit Demenz. Gesundheitswesen. 2013:75:328–33