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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Versorgung psychischer Störungen in Deutschland: Kooperation, Vernetzung, Integration

Meeting Abstract

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  • Clarissa Gerber - zi, Berlin
  • Marie-Luise Rosenbusch - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Versorgungsforschung und Risikostruktur, Berlin
  • Michael Erhart - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Versorgungsforschung und Risikostruktur, Berlin

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf250

doi: 10.3205/18dkvf250, urn:nbn:de:0183-18dkvf2502

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Gerber et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Weltweit waren im Jahr 2015 ca. 300 Millionen Menschen von einer Depression betroffen. Damit führt die Diagnose Depression nach Angaben der Global Burden of Disease Studie die Statistik der weltweit häufigsten psychischen Erkrankungen an. Neben individuellen Beeinträchtigungen der Betroffenen gehen von Depressionen auch hohe ökonomische Belastungen des Gesundheitswesens aus. Im Jahr 2015 lagen die Krankheitskosten für die Behandlung von Depressionen bei rund 8,7 Milliarden Euro.

Der Bedarf an einer frühzeitigen und bedarfsgerechten Behandlung Depressionserkrankter ist hoch, denn wird die Depression als Erkrankung rechtzeitig erkannt, ist diese grundsätzlich gut behandelbar. Bei der Diagnostik und Behandlung von Patienten mit Depressionen ist die Zusammenarbeit von Allgemeinärzten sowie verschiedenen weiteren Fachärzten bzw. Therapeuten unerlässlich.

Fragestellung: Die Vernetzung und das Ineinandergreifen aller Akteure im Gesundheitswesen ist die Voraussetzung einer zielführenden Behandlung von Depressionen. Doch wie sehen Versorgernetzwerke bei einer Behandlung von Depression genau aus? Gibt es überhaupt im praktischen Arztalltag innerhalb verschiedener Facharztgruppen solche Netzwerke?

Ziel der Arbeit ist die Identifizierung möglicher Netzwerke von Ärzten, die Patienten mit einer Depression behandeln, sodass zusätzlich aufgezeigt werden kann, welche Facharztgruppen bei der Behandlung von Depressionserkrankten beteiligt sind. Dabei sollen auch regionale Unterschiede beleuchtet werden.

Methode: Als Datengrundlage für die Netzwerkanalysen wurden die Abrechnungsdaten aller vertrags-ärztlichen Praxen von Ärzten und Psychotherapeuten in Deutschland analysiert. Dabei wurden ausschließlich Daten von 18- bis 79-jährige Patienten berücksichtigt, bei denen im Jahr 2016 eine Depression diagnostiziert wurde. In Bezug auf die berücksichtigten Ärzte wurden ausschließlich diese in die Netzwerkanalyse eingeschlossen, welche mindestens zehn gemeinsame Depressionspatienten behandelt haben.

Die Netzwerkanalysen wurden auf Basis der mathematischen Graphentheorie mit Hilfe des Paketes „igraph“ der Statistiksoftware R durchgeführt. Die Ärztenetzwerke (communities) wurden mit dem Algorithmus „cluster_walktrap"" bestimmt. Durch diese Methode ist es möglich Ärzte mit vielen gemeinsamen Patienten einem Ärztenetz zuzuweisen. Für die grafische Darstellung der identifizierten Ärztenetze wurde der Algorithmus von Kamada und Kawai herangezogen. Um etwaige regionale Unterschiede herauskristallisieren zu können, wurden die Analysen auf räumlicher Ebene der einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) getrennt durchgeführt.

Ergebnisse: Die Analysen konnten zeigen, dass innerhalb der einzelnen KVen virtuelle Behandlernetzwerke abgebildet werden können, die unter klinischen und versorgungstheoretischen Gesichtspunkten sinnvoll interpretierbar sind.

Insgesamt konnten beispielhaft in Schleswig-Holstein 586 Ärztenetzwerke innerhalb der Versorgung von Depressionen gefunden werden. Die Anzahl verschiedener Ärzte in einem Netzwerk reicht von zwei bis 85 Ärzten. Durchschnittlich befinden sich in Schleswig-Holstein 4,21 Ärzte in einem Netzwerk. Zudem konnten unterschiedliche Kostenstrukturen innerhalb der Behandlung von Depressionserkrankten grafisch nachgebildet werden. In einem weiter-führenden Schritt wurden die an der Versorgung beteiligten Facharztgruppen näher betrachtet, sodass sowohl Kooperations- als auch Kostenstrukturen bei bestimmten Facharztgruppen identifiziert werden konnten, die eine primäre Rolle bei der Versorgung von Depressionserkrankten spielen.

Diskussion/Praktische Implikationen: Dass Behandlernetzwerke auf Grundlage von Abrechnungsdaten in Deutschland sichtbar gemacht werden können, ist in der gegenwärtigen gesundheitswissenschaftlichen Forschung neu. International lassen sich zwar in den jüngsten vergangenen Jahren einige Analysen in diesem Themenbereich findet, doch für das deutsche Gesundheitssystem stellt die vorliegende Arbeit innovative Analysen vor.

Mit Hilfe von Netzwerkanalysen können in Zukunft in der Versorgungsforschung Unterschiede in den Versorgerkooperationen sichtbar gemacht werden, deren Bedeutung für eine qualitativ hochwertige Versorgung untersucht und womöglich in einem weiterführenden Schritt unerwünschte Diskrepanzen innerhalb der medizinischen Versorgung aufgelöst wer-den. Dies schafft Möglichkeiten Wege für eine verbesserte Kooperation und Koordination innerhalb der unterschiedlichen Behandler zu finden.