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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Stressbelastungen von Zahnärztinnen und -ärzten in der Assistenzzeit

Meeting Abstract

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  • Nele Kettler - Institut der Deutschen Zahnärzte, Referat III: Zahnärztliche Professionsforschung, Köln
  • Joachim Krois - Charité – Universitätsmedizin Berlin, Zahnerhaltung und Präventivzahnmedizin, Berlin
  • Nicolas Federico Frenzel Baudisch - Institut der Deutschen Zahnärzte, Medizinsoziologie und Gesundheitspsychologie, Köln

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf244

doi: 10.3205/18dkvf244, urn:nbn:de:0183-18dkvf2447

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Kettler et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Der Übergang vom Studium in den Beruf kann für Berufsanfänger belastend erlebt werden. In der Zahnmedizin schließt sich an das Staatsexamen in der Regel eine zweijährige Assistenzzeit hinsichtlich der Vorbereitung auf die vertragszahnärztliche Zulassung an, die in der Praxis verbracht wird. Aus vorangegangenen Untersuchungen ist bekannt, dass sich der letzte Studienabschnitt durch ein Ungleichgewicht aus hoher Verausgabung und geringer Belohnung stressreich darstellt und in diesem Zeitraum auch die Depressionsneigung erhöht ist. Unklar ist, wie sich Stresserleben und Depressionsneigung nach dem Berufseinstieg entwickeln.

Fragestellung: Ziel der Studie war (a) die Untersuchung des Stresserlebens von Zahnärztinnen und -ärzten in der Assistenzzeit. Zusätzlich sollte herausgefunden werden, (b) inwiefern sich das Stresserleben seit dem Studium verändert hat und (c) wie deutlich der Zusammenhang zwischen Stresserleben und Depressionsneigung ist.

Methode: Angehende und junge Zahnärztinnen und -ärzte wurden in einer Vollerhebung im 9. und 10. Semester ihres Studiums (Wintersemester 2014/15) und erneut zwei Jahre später in ihrer Assistenzzeit (2017) befragt. Eine dritte Erhebung soll weitere zwei Jahre später in der Niederlassung oder Anstellung (2019) erfolgen. Die longitudinale Studie ist im mixed-methods-Design angelegt; neben quantitativen Erhebungen werden auch qualitative Methoden (Gruppendiskussionen) eingesetzt.

Das Stresserleben wurde mit der Langversion des ERI (effort-reward-imbalance) gemessen, die 16 Items umfasst und das Verhältnis zwischen Verausgabung und Gratifikation abbildet. Als Maßzahl wurde die ER-Ratio gebildet. Dabei wurde für jede der beiden Subskalen Verausgabung (effort) und Gratifikation (reward) ein Wert aus den Antworten zu den entsprechenden Items errechnet. ER-Ratio ist das Verhältnis zwischen effort und reward sowie der Anzahl der auf jeder Sub-Skala verwendeten Items. Für die Messung bei Studierenden wurde analog die Studierendenversion des ERI eingesetzt.

Die Depressungsneigung wurde über die Depressionsskala des Patient Health Questionnaire (PHQ-9) erhoben (Skala von 0 bis 27). Zusammenhänge zwischen der ER-Ratio und dem PHQ-9 wurden über Rangkorrelationkoeffizienten (Kendalls Tau-b und Spearmans Rho) bestimmt.

In die Auswertung einbezogen wurden nur die Ergebnisse der Studienteilnehmenden, die in der zweiten Befragungswelle jeweils alle Items der ERI-Skala beantwortet hatten sowie 2017 angegeben hatten, sich in der Assistenz- oder Weiterbildungszeit zu befinden.

Ergebnisse: 625 (51,2 %) der Teilnehmer/-innen der ersten Welle beteiligten sich auch an der zweiten Welle.

(a) In der Assistenzzeit war das Stresserleben der Teilnehmenden (n=318) überwiegend niedrig, bei 70 % überwog die Gratifikation die Verausgabung. Die mittlere ER-Ratio betrug 0,9 (SD 0,3; Minimum 0,5; Maximum 2,4). Die Quartile lagen bei 0,8 (25 %), 0,9 (50 %) und 1,1 (75 %).

(b) 65 % derjenigen, die im Studium ein erhöhtes Stresserleben (Verausgabung > Gratifikation) angegeben hatten, empfanden die Assistenzzeit weniger stressreich (Gratifikation > Verausgabung). Im Studium lag die mittlere ER-Ratio bei 1,1 (SD 0,3).

(c) Zwischen der ER-Ratio und der Depressionsneigung war ein positiver Zusammenhang erkennbar (Kendalls Tau-b 0,3; Spearman-Rho 0,4) (p < 0,001): je höher die ER-Ratio (je höher der Aufwand und je geringer die Gratifikation), desto höher die Depressionsneigung. Die Prävalenz depressiver Symptomatik lag in der Assistenzzeit bei 12,4 %.

Diskussion: Etwas weniger als ein Jahr nach Berufsbeginn ist das Stresserleben für die Mehrheit der Befragten gering, die beruflich bedingte Verausgabung ist niedriger als die dafür erhaltene Gratifikation. Diese Entwicklung ist vor dem Hintergrund, dass zum Ende des Studiums noch die Verausgabung die erhaltene Gratifikation übertraf, positiv zu bewerten. Denn ein langfristiges Missverhältnis zwischen Verausgabung und Gratifikation fördert Krankheiten wie Depressionen. Im Studium war die Depressionsneigung der Zahnmedizinstudierenden gegenüber der Allgemeinbevölkerung gleichen Alters dreifach erhöht, in der Assistenzzeit dagegen nur noch um wenige Prozentpunkte.

Praktische Implikationen: Maßnahmen zur Verbesserung des Verhältnisses zwischen Verausgabung und Belastung sollten daher in erster Linie im Studium ansetzen. Trotzdem sollten zusätzlich auch am Berufsbeginn Faktoren, die zu einem positiven Erleben der Assistenzzeit beitragen, gefördert werden, nicht zuletzt auch, um Erkrankungen wie Depressionen bei Zahnärztinnen und -ärzten vorzubeugen. Dies kann beispielsweise Hilfestellung durch den Vorgesetzten oder das soziale Klima am Arbeitsplatz sein, die beide mit der ER-Ratio korrelieren. In kommenden beruflichen Abschnitten der Teilnehmenden wird die ER-Ratio weiter beobachtet.