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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Regionale Prädiktoren der Teilnahme am DMP Diabetes mellitus Typ I und II bei AOK-Versicherten

Meeting Abstract

  • Johannes Pollmanns - Hochschule Niederrhein, Kompetenzzentrum Routinedaten im Gesundheitswesen, Krefeld
  • Saskia E. Drösler - Hochschule Niederrhein, Kompetenzzentrum Routinedaten im Gesundheitswesen, Krefeld
  • Christian Günster - Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO), Fachbereich Qualitäts- und Versorgungsforschung, Berlin
  • Maria Weyermann - Hochschule Niederrhein, Kompetenzzentrum Routinedaten im Gesundheitswesen, Krefeld

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf241

doi: 10.3205/18dkvf241, urn:nbn:de:0183-18dkvf2416

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Pollmanns et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Ziel der Disease-Management-Programme (DMP) bei Diabetes mellitus Typ I und II ist es, die Behandlungsqualität bei Patienten zu verbessern, vor allem im Hinblick auf Kontinuität, Koordination und Evidenzbasierung der medizinischen Versorgung. Die Teilnahmeraten an den DMP Diabetes bei AOK-Versicherten schwanken auf kleinräumiger Ebene jedoch stark.

Fragestellung: Diese Arbeit soll die Frage beantwortet, inwieweit die Teilnahmeraten an DMPs Diabetes bei AOK-Versicherten durch regionale Faktoren erklärt werden.

Methode: Regionale Prädiktoren des Jahres 2014 auf Kreisebene wurden mittels univariablen und multivariablen linearen Regressionsanalysen untersucht. Die abhängige Variable ist der Anteil an eingeschriebenen AOK-Versicherten. Datenbasis der unabhängigen Variablen sind ausgewählte potentielle Prädiktoren der Indikatoren und Karten zur Raum- und Stadtentwicklung (INKAR) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Durchschnittsalter, Arbeitslosenanteil, Frauenanteil, Anteil Einpersonenhaushalte, Anteil der Beschäftigten mit akademischem Abschluss, Haushaltseinkommen, Rate der Hausärzte, Rate der Fachärzte, Ländlichkeit). Ebenfalls in die Analyse eingeschlossen wurden kleinräumige Prävalenzschätzungen des Diabetes mellitus auf Basis ambulanter Abrechnungsdaten. Zusätzlich wurde mittels binärer logistischer Regressionsmodelle untersucht, inwieweit Kreise mit besonders hohen DMP-Raten (oberstes Quartil der Verteilung) sich durch die oben genannten potentiellen Einflussgrößen beschreiben lassen.

Ergebnisse: Im Jahr 2014 waren insgesamt 1.880.704 AOK-Versicherte in ein DMP Diabetes mellitus eingeschrieben (8,4 % aller Versicherten). Der Median auf Kreisebene betrug 8.131 eingeschriebene Personen je 100.000 Versicherte (Minimum: 903, Maximum: 18.279 Teilnehmer je 100.000 Versicherte). Die multivariable lineare Regressionsanalyse zeigte eine signifikant positive Assoziation zwischen der DMP-Teilnahmerate und der Diabetes-Prävalenz (Regressionskoeffizient b = 963 [Zunahme der Teilnahmerate bei 1%iger Zunahme der Prävalenz]), dem prozentualen Frauenteil (b = 442) und dem prozentualen Anteil Einwohner in ländlichen Gemeinden (Ländlichkeit; b = 7,6). Signifikant negative Assoziationen zeigten das Durchschnittsalter der Bevölkerung (b = -324) und der prozentuale Anteil der Einpersonenhaushalte (b = -57,8). Das Bestimmtheitsmaß R² des Modells lag bei 71 %. In einem logistischen Regressionsmodell wurde ein vergleichbarer Zusammenhang für das Durchschnittsalter (Odds Ratio [OR] = 0,51), den Frauenanteil (OR = 2,90) und die Prävalenz (OR = 4,65) beobachtet, während die anderen Variablen nicht statistisch signifikant erscheinen (c-Statistik = 0,96). In Modellen mit prävalenzadjustierter Teilnahmerate sinkt der Anteil der erklärten Varianz jeweils deutlich (R² = 6 % bzw. c-Statistik = 0,66).

Diskussion: Diese Untersuchung zeigt, dass die Teilnahmerate an DMPs bei Diabetes erwartungsgemäß vor allem durch die Krankheitshäufigkeit bestimmt wird und andere Faktoren nur einen sehr geringen Anteil der Varianz der DMP-Teilnahme erklären. Sozioökonomische Faktoren sowie die Struktur der ambulanten Versorgung scheinen keine bedeutende Rolle zu spielen. Bestimmte Versichertengruppen, wie Männer, Allein-Lebende und Ältere, sind möglicherweise schwieriger für eine Teilnahme zu gewinnen als andere. Der Einfluss der Ländlichkeit im linearen Modell lässt darauf schließen, dass in geringer besiedelten Gebieten die Nachfrage an DMPs höher oder das Angebot gezielter sein könnten. Dies kann durch eine größere Notwendigkeit in der Koordination von Versorgungsleistungen und der Zusammenarbeit von Leistungserbringern in ländlicheren Kreisen begründet sein. Bei der Interpretation ist allerdings zu berücksichtigen, dass die hier festgestellten Korrelationen ökologischer Natur sind und die Untersuchungspopulation auf AOK-Versicherte beschränkt ist.

Praktische Implikationen: Evaluationen der DMPs Diabetes mellitus durch das Bundesversicherungsamt und die Universitätsklinik Heidelberg haben gezeigt, dass die Teilnahme einen positiven Effekt auf bestimmte medizinische Zielwerte haben kann. Dennoch scheinen nicht alle Versicherten gleichermaßen durch das Angebot der DMPs erreichbar zu sein. Für bestimmte Subpopulationen, wie ältere Versicherte oder Männer, sind besondere Anstrengungen zu unternehmen, um diese für eine Teilnahme an einem DMP zu gewinnen.