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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Projekt AnTiB – Antibiotische Therapie in Bielefeld

Meeting Abstract

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  • Reinhard Bornemann - Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, AG 2, Bielefeld
  • Roland Tillmann - Praxis für Kinder- und Jugendmedizin, Bielefeld

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf238

doi: 10.3205/18dkvf238, urn:nbn:de:0183-18dkvf2382

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Bornemann et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Antibiotikaresistenzen stellen ein zunehmendes Problem in der Gesundheitsversorgung dar. Dies ist u.a. Folge eines unkritischen Antibiotikaeinsatzes, quantitativ wie qualitativ – mit Blick auf die Verwendung von Reserveantibiotika. Ansätze zum rationaleren Einsatz bezogen sich bislang vorwiegend auf den stationären Sektor. Hingegen findet der überwiegende Verbrauch, mit etwa 80%, im ambulanten Bereich statt. Dort besteht folglich noch Entwicklungsbedarf. Hinzu kommt eine große Inhomogenität des Verordnungsumfangs sowohl innerhalb Europas als auch innerhalb Deutschlands, bis hinunter auf die Ebene einzelner Arztpraxen. Dies führt zu der Überlegung, inwieweit nicht nur medizinische bzw. epidemiologische Gegebenheiten, sondern auch lokale „Verordnungskulturen“ das Verordnungsverhalten beeinflussen.

Fragestellung: Die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) schlägt u.a. die Erarbeitung von Konzepten zur Erstellung lokaler Empfehlungen zur rationaleren Antibiotikaverordnung auch im ambulanten Bereich vor. Daraus leiten sich folgende Fragestellungen ab:

1.
Auf welcher Grundlage könnten solche lokalen Initiativen eine bessere Reichweite, Akzeptanz und Effizienz gegenüber bereits vorhandener überregionaler Projekte und Maßnahmen haben?
2.
Welche Maßnahmen sind erforderlich, um ein lokales Projekt zu initiieren und zu etablieren?
3.
Auf welchem Wege lassen sich lokale Empfehlungen erstellen und implementieren?
4.
In welcher Weise lassen sich die Auswirkungen solcher Empfehlungen auf das Verordnungsverhalten evaluieren?
5.
In welcher Form könnten ein solches lokales Projekt bzw. daraus entwickelte Maßnahmen auf weitere Fachgruppen bzw. weitere Regionen in Deutschland übertragbar sein?

Methode: Beschrieben wird die Konstitution einer Initiativgruppe in der ambulanten Pädiatrie, die Auswahl und Durchführung geeigneter Maßnahmen, dabei insbes. den Entwicklungsprozess lokaler Empfehlungen als Pilotmaßnahme, deren Implementierung in die Praxis, ihre Umsetzbarkeit im Praxisalltag, die weitere Vorgehensweise bei der lokalen Ausweitung des Projektes, schließlich die Evaluation der Antibiotikaverordnungsdaten vor und nach Einführung des Projektes.

Ergebnisse: U.a. über Qualitätszirkel konstituierte sich eine ambulant und stationär tätige pädiatrische Arbeitsgruppe. Diese priorisierte und plante Maßnahmen wie gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen, eine Internetseite als Kommunikationsplattform und – hier im Vordergrund stehend – die gemeinsame Ausarbeitung von Verordnungsempfehlungen wichtiger antibiotikarelevanter Krankheiten. Ausgangsbasis waren die jeweiligen praktischen Erfahrungen, zusätzlich wurden die relevante Fachliteratur identifiziert und externe Fachleute hinzugezogen. In einem mehrstufigen Prozess und unter Mitwirkung der meisten ambulant tätigen Pädiater vor Ort wurden schließlich die Empfehlungen erstellt. Das Ergebnis war ein vierseitiges Papier, das die wichtigsten Infektionskrankheiten im ambulanten pädiatrischen Bereich abbildete. Dieses Papier genießt inzwischen in Bielefeld eine hohe Verbreitung und Akzeptanz. (die Antibiotikaverordnungsdaten sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht seitens der KVWL freigegeben, werden aber auszugsweise präsentiert werden)

Diskussion: In der Vergangenheit wurde im ambulanten Bereich bereits eine Reihe von Ansätzen für ein rationaleres Antibiotika-Verordnungsverhalten ausprobiert, mit jedoch nur geringem Effekt bzw. unzureichender Datenlage. Der vorgestellte Ansatz hat als wesentliche innovative Charakteristika 1) einen „bottom up“-Ansatz, d.h., lokale Verordnungsempfehlungen werden von den Akteuren vor Ort generiert und umgesetzt (vs. bisheriger typischerweise „top down“-Ansätze), und 2) eine umfangreiche Vernetzung vor Ort innerhalb der teilnehmenden Fachgruppen, zwischen den Fachgruppen untereinander und zwischen dem ambulanten und stationären Sektor. Wenn gilt, dass die geschilderten „lokalen Verordnungskulturen“ eine relevante Rolle beim Verordnungsverhalten spielen, sollte sich bei der Schaffung einer eigenen „Kultur“ die Adhärenz an solche selbst erarbeiteten und lokal konsentierten Maßnahmen erhöhen. Dies ist klar der bisherige Eindruck, jedoch bleibt eine weitergehende Aussage zur tatsächlichen Effizienz der Evaluation der tatsächlichen Verordnungsdaten vorbehalten. (diese ist, in Kooperation mit der KVWL, in Arbeit)

Praktische Implikationen: Projekte bzw. Maßnahmen im medizinischen Versorgungsbereich – hier die ambulante Verordnung von Antibiotika – sollten auch auf lokaler Ebene implementiert werden. Dazu ist eine umfassende Vernetzung aller Akteure im ambulanten und stationären Sektor, unterstützt durch Institutionen wie Ärzteverbände und KVen, erforderlich. Auf dieser Grundlage kann ein einheitlicher Wissenshorizont geschaffen werden, von dem ausgehend dann Maßnahmen – nota bene gemeinsam und aus der Praxis für die Praxis – entwickelt werden, flankiert von evidenzbasierten Informationen. Das eigene Projekt kann hierzu als Modell dienen.