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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Integrierte Versorgungsforschung am Beispiel des Gerinnungszentrums Rhein-Ruhr (GZRR)

Meeting Abstract

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  • Sylvia von Mackensen - Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie, Hamburg
  • Manuela Siebert - Coagulation Research Centre GmbH, Duisburg
  • Susan Halimeh - Gerinnungszentrum Rhein-Ruhr, Duisburg

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf233

doi: 10.3205/18dkvf233, urn:nbn:de:0183-18dkvf2333

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Mackensen et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Die Behandlung von Blutgerinnungsstörungen stellt für Ärzte eine herausfordernde Aufgabe dar. Aufgrund der Komplexität und dem hohen Komplikationsrisiko, wird eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung der Patienten zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen und effizienten Therapie benötigt. Der Krankheitsverlauf von angeborene Blutgerinnungsstörungen wird sowohl vom Schweregrad als auch von der Therapie entscheidend beeinflusst. Ohne eine adäquate prophylaktische Substitutionstherapie kommt es bei schwerer Form der Blutgerinnungsstörung zu häufigen Blutungen, überwiegend Gelenkblutungen. Die Langzeitfolgen sind dabei v. a. chronische Gelenkschädigungen. Zudem führen Gelenkveränderungen und entstehende Hämatome zu Druckatrophien peripherer Nerven, sowie insbesondere Muskelblutungen zu irreversiblen Nervenläsionen. Die primären Therapieziele bestehen damit in der Vermeidung von Komplikationen und Folgeschäden, der Erhaltung der Gelenkfunktionen, der Verhütung von Nebenwirkungen und der Integration der Betroffenen in ein normales soziales Leben.

Fragestellungen: Das Gerinnungszentrum Rhein-Ruhr (GZRR) in Duisburg hat seit vielen Jahren Kooperationsverträge mit dem Verband der Ersatzkassen (vdek) sowie mit verschiedenen einzelnen großen Versorgerkassen, basierend auf § 47 AMG. Mit Wirkung ab 1.1.2011 wurde zusätzlich auf Grundlage der §§ 140a-d SGB V ein Vertrag zur ganzheitlichen Versorgung von Hämophilie-Patienten zwischen dem GZRR in Duisburg und der BARMER GEK abgeschlossen. Hierdurch soll ein ganzheitliches Behandlungskonzept entstehen, das durch interdisziplinäre Kooperationen eine funktionierende sektorenübergreifende Versorgung schafft.

Methodik: Um den Therapieverlauf der an der integrierten Versorgung (IV) teilnehmenden Patienten mit Blutgerinnungsstörung beurteilen zu können, werden in regelmäßigen Abständen mittels standardisierter Fragebögen medizinisch und versorgungsforschungsrelevante Daten erhoben.

Ergebnisse: Im Jahr 2015 haben im GZRR 90 Patienten (47 Erwachsene, 43 Kinder) mit Blutgerinnungsstörungen den Fragebogen zur Erhebung der Versorgungssituation und ihres Wohlbefindens ausgefüllt. Davon nehmen gegenwärtig 30 Patienten (16 Erwachsene, 14 Kinder) an der integrierten Versorgung teil. Jedoch werden bereits 50 Patienten (55,6%) nach den Standards der ganzheitlichen Versorgung gemäß des IV-Vertrags behandelt. Das mittlere Alter beträgt bei Erwachsenen 37,8 ± 14,8 Jahre (18-67), und bei Kindern 8,4 ± 4,3 Jahre (2-17). Insgesamt haben 67,8% eine Hämophilie (A und B), 18,9% ein von Willebrand-Syndrom und 13,3% einen sonstigen Faktormangel. 63,3% der Patienten haben eine schwere Form der Blutgerinnungsstörung. 28,9% leiden zusätzlich an mindestens einer weiteren chronischen Erkrankung. 14,9% der Erwachsenen geben ständige Schmerzen aufgrund der Blutungsneigung an, jedoch keiner der Kinder. 95,6% der Befragten empfinden einen persönlichen Ansprechpartner im Hämophilie Zentrum als eher/sehr wichtig. Nur zwei Patienten empfinden einen persönlichen Ansprechpartner als unwichtig. Aus einer Liste von 17 möglichen Angeboten für eine optimale Hämophilie-Versorgung sind für die Patienten die wichtigsten Aspekte (eher/sehr wichtig) die Kooperation des GZRR mit anderen Fachärzten (ambulant: 96,7%; stationär: 95,6%) und das Vorhandensein eines Faktordepots (94,4%). Patienten nahmen immer die folgenden empfohlen Maßnahmen war: Quartalskontrolle (80%), Substitution (76,7%) und Pflege des Substitutionskalenders (75,6%). Als eher/sehr belastend gaben 40% die Suche nach Fachärzten, 35,6% die Auseinandersetzung mit Behörden und 27,8% die Fahrten zum Gerinnungszentrum an.

Diskussion: Obwohl erst ein Drittel der Patienten in das integrierte Versorgungsprogramm eingeschrieben ist, werden bereits über 55% aller Patienten nach dem ganzheitlichen Ansatz des GZRR behandelt. Der Großteil der Patienten leidet an einer Hämophilie A oder B. Viele Langzeitbeschwerden und Folgekomplikationen treten erst im Erwachsenenalter auf. Über den holistischen Therapieansatz können jedoch bereits im Kindesalter die Weichen für ein beschwerdefreieres Leben der Betroffenen gestellt werden. In einem nächsten Schritt werden die Verlaufsdaten ausgewertet und berichtet. Durch die aktive Einbindung der Patienten in die Weiterentwicklung des IV-Ansatzes befindet sich das Programm darüber hinaus in stetiger Optimierung.

Praktische Implikation: Durch die sektorenübergreifende Versorgung von Blutgerinnungsstörungen wird eine umfassende Therapie der Betroffenen gewährleistet. Innovative Behandlungsmethoden, außerhalb universitärer Einrichtungen, finden damit auch im ambulanten Setting eine Umsetzung. Folglich wird der Weg für eine ganzheitliche Versorgung zur Vermeidung bzw. Reduktion von Langzeitkomplikationen und Folgeerkrankungen bei den Betroffenen geebnet. Die Autoren sind der Überzeugung, dass die ganzheitliche Versorgung einen erheblichen Mehrwert aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive darstellt.