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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Bedarfsorientierte, interdisziplinäre und sektorenübergreifende Versorgung von Methamphetamin-konsumierenden Müttern – eine qualitative Befragung der Akteure des „Dresdner Versorgungspfades Crystal“

Meeting Abstract

  • Frederik Haarig - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Forschungsverbund Public Health Sachsen, Dresden
  • Josephine Mathiebe - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Forschungsverbund Public Health Sachsen, Dresden
  • Mario Rüdiger - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Dresden
  • Jörg Reichert - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Dresden
  • Ulrich S. Zimmermann - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Dresden
  • Pauline Wimberger - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Dresden
  • Katharina Nitzsche - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Dresden
  • Jochen Schmitt - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV), Dresden
  • Jürgen Dinger - Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Dresden

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf230

doi: 10.3205/18dkvf230, urn:nbn:de:0183-18dkvf2302

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Haarig et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Aufgrund von Menstruationsstörungen sowie eines erhöhten Sexualdrangs kommt es bei Methamphetamin-Konsumentinnen vermehrt zu ungewollten Schwangerschaften. Konsumenten im Kontext der Elternschaft gelten als Risikogruppe (S3-Leitlinie Methamphetamin-bezogene Störungen, 2016), da der Konsum während der Schwangerschaft dem ungeborenen Kind erheblich schadet. Das Neonatale Abstinenzsyndrom (NAS) nach Methamphetamin-Konsum in der Schwangerschaft beinhaltet neurologische (z.B. Hyperexzitabilität, Schläfrigkeit, Krampfanfälle), gastrointestinale (z.B. Trinkschwäche, geringes Trinken, Erbrechen) sowie Symptome im autonomen Nervensystem (z.B. Hypotonie, Schwitzen, Hypertonie). Unter anderem empfiehlt die Leitlinie eine interdisziplinäre und sektorenübergreifende Betreuung von konsumierenden Schwangeren einerseits zur a) Verhütung von Schädigungen des Kindes durch den Konsum und b) zur Vorbeugung von kindeswohlgefährdenden Risikosituationen in der Kindesversorgung (Aggressionsdurchbrüche, Vernachlässigung).

Fragestellung: Die vorliegende Studie kombiniert Bedarfs- mit Inanspruchnahmeforschung, indem folgende Fragestellungen beantwortet werden sollten: 1) Welche Voraussetzungen sind für eine adäquate Versorgung Droge Methamphetamin-konsumierender Mütter nötig? 2) Welche Rolle ergibt sich im Gesamtversorgungskonzept? Welche Erwartungen bestehen hinsichtlich anderer Beteiligter? 3) Wie erfolgt der Datenaustausch mit anderen Beteiligten (u. a. welche Daten werden erhoben, Art der Datenübermittlung, wie erfolgen Fallübergaben)? Basierend auf den Ergebnissen soll skizziert und abgeleitet werden, worin essentielle Grundlagen bestehen, um transsektorale, systemübergreifende Versorgungskonzepte zu implementieren und umzusetzen.

Methode: Es wurden Beteiligte des Versorgungspfades (Bereiche: Geburtshilfe und Gynäkologie, Kinderklinik, Psychiatrie, Case Management, Familiennetz, Jugendamt und Drogenbeauftragte der Stadt Dresden) interviewt. Die Interviews wurden mittels qualitativer Inhaltsanalyse (Grounded Theroy) ausgewertet.

Ergebnisse: Wichtigste Voraussetzung eines auf schwangere Frauen/werdende Mütter zugeschnittenen multiprofessionellen Versorgungsangebots ist die Koordination durch ein Case Management (u.a. Vermittlung von Terminen, Kommunikation mit kommunalen Ansprechpartnern, Motivation der Betroffenen) innerhalb der einzelnen professionellen Anlaufstellen. Neben bereichsspezifischen konnten strukturübergreifende Erwartungen identifiziert werden: Motivationsförderung, anonyme kollegiale Fallbesprechungen, gleichbehandelnde Moderation. Wichtigste Grundlage des Datenaustauschs stellen ein personalisiertes Datenfile sowie eine konkretisierte Informationsübergabe beim Ausgang der Betroffenen in andere Versorgungssektoren dar.

Diskussion/praktische Implikationen: Eine wesentliche Rahmenbedingung multiprofessioneller Versorgungsmaßnahmen besteht in der Definition der einzelnen Beteiligten (Erwartungen, Aufgaben, Abgrenzung der Beteiligten untereinander). Weiterhin ist wichtig, Übergänge von einzelnen Bereichen und Sektoren stärker zu bahnen (Datentransfer, Informationsgehalt). Eine Implementierung ist vor allem dann erfolgreich, wenn sämtliche Beteiligten kontinuierlich „round tables“ abhalten und sich nicht nur in der Versorgungsausrichtung, sondern auch im Datenaustausch eng verzahnen. Unterstützt wird dies vor allem durch die Installation eines Case Managements zur Bahnung in sowie zur Verringerung von Barrieren zwischen den einzelnen Bereichen/Sektoren.