gms | German Medical Science

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Schnell mal übersetzen? – Erstellung von fremdsprachigen Gesundheitsinformationen

Meeting Abstract

  • Svenja Siegert - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Patienteninformation, Berlin
  • Sabine Schwarz - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Berlin
  • Lydia Bothe - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Patienteninformation, Berlin
  • Claudia Schumacher - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Informationsmanagement, Berlin
  • Corinna Schaefer - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Evidenzbasierte Medizin und Leitlinie/Patienteninformation, Berlin

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf216

doi: 10.3205/18dkvf216, urn:nbn:de:0183-18dkvf2162

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Siegert et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Laut Statistischem Bundesamt hatten 2016 mehr als 18 Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Die Studienlage zeigt, dass diese Menschen erhöhte Gesundheitsrisiken und eine geringere Gesundheitskompetenz im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben. Ein Arztgespräch und eine partizipative Entscheidungsfindung sind durch Sprachbarrieren mitunter kaum möglich. Bei der Arzt-Patienten-Kommunikation können fremdsprachige Gesundheitsinformationen helfen. Allerdings sind dafür vorhandene Materialien aus anderen Ländern oft ungeeignet oder nicht recherchierbar, z. B. aufgrund von fehlenden Sprachkenntnissen, Unterschieden in den Gesundheitssystemen, Medikamentenzulassungen, Gesetzen oder Leitlinienempfehlungen.

Vor diesem Hintergrund lässt das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) die sogenannten Kurzinformationen für Patienten (KiP) und Entscheidungshilfen in 6 Sprachen übersetzen. Eine KiP ist ein zweiseitiges Informationsblatt, welches das ÄZQ nach den Prinzipien der evidenzbasierten Medizin in einem standardisierten Methodikprozess erstellt. Bei den ÄZQ-Entscheidungshilfen handelt es sich um allgemeinverständliche Informationen basierend auf den Nationalen VersorgungsLeitlinien, die im Aufklärungs- und Beratungsgespräch zum Einsatz kommen können.

Fragestellung: Wie kann sichergestellt werden, dass Gesundheitsinformationen korrekt übersetzt werden?

Methode: Ausgewählte Gesundheitsinformationen erscheinen seit 2012 – neben Deutsch – auch auf Arabisch, Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch und Türkisch. Diese Sprachauswahl erfolgte nach Bevölkerungsstatistiken und Erfahrungen der Projektbeteiligten. Ziel war es, die wissenschaftliche Evidenz für eine breite Zielgruppe zugänglich zu machen.

Jede Übersetzung durchläuft einen mehrwöchigen Erstellungsprozess mit mehreren Korrekturschleifen: Zuerst übersetzen muttersprachliche Fachleute, die Mitglied im Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e. V. und zudem auf medizinische und pharmazeutische Texte spezialisiert sind, die Dokumente. Danach lesen ehrenamtliche Muttersprachler die Entwürfe gegen. Diese Gegenleser sind im Gesundheitswesen tätig und kommen z. B. aus der Türkei, Kolumbien oder Syrien. Ihre Aufgabe ist es, auf fachliche und kultursensible Aspekte zu achten. Die Rekrutierung erfolgte aus dem Bekannten- oder Kollegenkreis sowie über Aushänge und Aufrufe in Newslettern. Die Änderungen werden vom ÄZQ eingearbeitet und in das Layout-Programm übertragen. Das Informationsblatt wird anschließend nochmal vom Übersetzer überprüft. Ggf. finden weitere Korrekturen statt.

Ergebnisse: Bislang sind 25 fremdsprachige KiP und Entscheidungshilfen erschienen (Stand April 2018). Die Übersetzungen umfassen ein breites Themenspektrum, wie etwa Arzneimittel, psychische Erkrankungen, Tuberkulose, Diabetes, Darmkrebs oder Atemwegserkrankungen. An dem Projekt beteiligten sich bislang 6 Übersetzer und 27 ehrenamtliche Personen.

Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Übersetzung von Gesundheitsinformationen zeitaufwendig ist und nach einem definierten Vorgehen erfolgen sollte. Oft regten die Gegenleser nicht nur redaktionelle, sondern auch stilistische und fachliche Änderungen an, z. B. andere Begriffe oder Formulierungen. So ergab die Analyse aller englischen Texte, dass die Gegenleser 76 redaktionelle, 169 stilistische und 5 inhaltliche Anmerkungen hatten. Diese wurden in der Regel von den Übersetzern befürwortet und übernommen.

Schwierigkeiten ergaben sich durch mangende zeitliche Ressourcen der Gegenleser. Auch die Übertragung in das Layout-Programm kann herausfordern, wenn Sprachkenntnisse fehlen oder andere Schriftzeichen und Schreibrichtungen nötig sind, z. B. bei Arabisch. Außerdem gibt es oft mehrere Möglichkeiten, ein Wort zu übersetzen. Auch Fremdsprachen sind z.T. nicht einheitlich, z. B. wenn sie in verschiedenen Kontinenten, Ländern und Regionen gesprochen werden.

Diskussion: Nur korrekte fremdsprachige Gesundheitsinformationen können die Kommunikation mit Professionellen fördern und Akzeptanz in der Zielgruppe erreichen. Um Fehler zu vermeiden, sollten Gesundheitsinformationen daher nach einer festgelegten Verfahrensweise übersetzt werden. Entscheidend dabei ist das Muttersprachler-Prinzip. Zudem kann das Vorgehen des ÄZQ anderen Projekten als Vorbild dienen. Eine Herausforderung besteht darin, die Übersetzungen bekannt zu machen.

Praktische Implikationen: Die Übersetzungen sind kostenlos auf dem Patientenportal www.patienten-information.de verfügbar. Ärzte, Pflegende, Fachleute, Selbsthilfeorganisationen oder Kliniken können die Materialien an Patienten und Interessierte weitergeben oder auf ihrer Webseite darauf verlinken. Es wird zu prüfen sein, welche Themen und Sprachen zukünftig relevant sind. Anderen Projekten ist zu empfehlen, professionell übersetzte Texte von einem unabhängigen Muttersprachler prüfen zu lassen.