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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Wie erkläre ich es dem Patienten? – Patientenmaterialien und Entscheidungshilfen als fester Bestandteil von Leitlinien

Meeting Abstract

  • Sabine Schwarz - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Patienteninformation, Berlin
  • Svenja Siegert - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Patienteninformation, Berlin
  • Lydia Bothe - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Patienteninformation, Berlin
  • Peggy Prien - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Patienteninformation, Berlin
  • Susanne Schorr - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Patienteninformation, Berlin
  • Corinna Schaefer - Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), Patienteninformation, Berlin

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf190

doi: 10.3205/18dkvf190, urn:nbn:de:0183-18dkvf1905

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Schwarz et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Leitlinien helfen Ärzten und anderen Gesundheitsprofessionellen, sich im Behandlungsalltag zu orientieren: Sie geben Empfehlungen, welche Diagnostik und Behandlung bei einer Krankheit angebracht ist – und welche nicht. Doch für Patienten ist ein leitliniengerechtes Vorgehen häufig nicht nachvollziehbar: z. B. wenn sie den ärztlichen Rat bekommen, wegen Asthma ihr Haustier abzugeben, sich bei Kreuzschmerzen viel zu bewegen oder dauerhaft Medikamente einzunehmen, obwohl derzeit keine Beschwerden vorliegen. Zudem kann eine Entscheidung schwer sein, wenn eine Leitlinie mehrere Untersuchungs- oder Behandlungsalternativen zulässt. Dann spielen individuelle Vorstellungen, Ziele und Präferenzen der Patienten eine wichtige Rolle. Für solche spezifischen Beratungs- und Entscheidungssituationen sind bisher kaum Patienteninformationen vorhanden. Daher erstellt das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) kurze, allgemein verständliche Patienteninformationen und Entscheidungshilfen. Diese sind für die ärztliche Konsultation konzipiert und schnell verfügbar: Sie erscheinen als integraler Bestandteil von Nationalen VersorgungsLeitlinien (NVL). Diese werden zu ausgesuchten Erkrankungen hoher Prävalenz erstellt und genügen den höchsten methodischen Ansprüchen.

Fragestellung: Wie können evidenzbasierte Patientenmaterialien und Entscheidungshilfen parallel zur Leitlinienerstellung entwickelt werden?

Methode: Für die Erstellung aller Patientenmaterialien zu NVL gelten die Grundsätze der „Guten Praxis Gesundheitsinformation“. Zudem folgt der Entwicklungsprozess der Entscheidungshilfen internationalen Standards wie den IPDAS-Kriterien.

Während der Leitlinienentwicklung werden Themen, zu denen Patienteninformationen eine sinnvolle Ergänzung sein können, gesammelt. Diese werden durch die Leitliniengruppe mithilfe einer elektronischen Umfrage oder durch persönliche Abstimmung priorisiert.

Sobald die Themen feststehen, fassen ÄZQ-Informationsspezialisten auf ein bis zwei DIN-A4 Seiten die relevanten (Negativ-)Empfehlungen mit Hintergrundinformationen der Leitlinie zusammen. Dabei spielen einfache Formulierungen sowie eine klare Struktur und Lesbarkeit der Texte eine große Rolle. Themenabhängig können einfache Frage-Antwort-Schemata oder Tabellen zum Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen hinzukommen. Statistische Inhalte werden dabei anschaulich vermittelt und Häufigkeiten bzw. Risiken in absoluten Zahlen kommuniziert. Am Ende eines jeden Textes werden die Kernbotschaften nochmals gesondert dargestellt und hervorgehoben.

Anschließend prüft das jeweilige NVL-Gremium die Patientenmaterialien auf fachliche Korrektheit, Leitlinienkonformität und Vollständigkeit. Zudem stimmt es formal darüber ab. Mitunter sind weitere Überarbeitungen nötig.

Im Idealfall stehen die Patientenmaterialien als Teil der vorläufigen Leitlinienfassung zur öffentlichen Kommentierung im Internet bereit. Nach Ablauf der Konsultationsphase sichtet die Leitliniengruppe die eingegangenen Kommentare und entscheidet über deren Berücksichtigung in der Endfassung.

Danach werden Leitlinie und Patientenmaterialien auf der Internetplattform des NVL-Programms www.leitlinien.de und dem Patientenportal www.patienten-information.de veröffentlicht und können von Ärzten, medizinischen Fachleuten, Patienten und Interessierten kostenlos heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Ergebnisse: In der Langfassung der jeweiligen NVL wird entweder in Form einer Empfehlung auf die Anwendung der Patientenmaterialien oder im Hintergrundtext darauf verwiesen.

Bisher sind 12 Informationsblätter bzw. Entscheidungshilfen verfügbar. Sie gehören zu den NVL Nicht-spezifischer Kreuzschmerz, Chronische Herzinsuffizienz und Chronische KHK. Die 5 Informationsblätter zur NVL Asthma befinden sich derzeit in der öffentlichen Konsultation (Stand: April 2018). Zudem liegen die Entscheidungshilfen zur NVL Chronische KHK auch in Arabisch, Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch und Türkisch vor.

Diskussion: Mit der engen Verzahnung von Patienteninformationen und Leitlinie geht das ÄZQ neue Wege: Die Formate können das Verständnis der Patienten für eine ärztliche Empfehlung und die gemeinsame Entscheidung im Arzt-Patienten-Gespräch fördern. Sie unterstützen ebenso die Leitlinienimplementierung und können im Rahmen der Initiative „Gemeinsam Klug Entscheiden“ zum Einsatz kommen.

Die aktive und transparente Einbindung der Leitliniengruppe in den Erstellungsprozess trägt zur Akzeptanz der Materialien bei. Rückmeldungen bestätigen zudem ein hohes Interesse von Ärzten und Therapeuten an den Patienteninformationen.

Praktische Implikationen: Das Vorgehen der Erstellung empfehlungsunterstützender Patientenmaterialien und Entscheidungshilfen ist im NVL-Programm etabliert und kann Vorlage für andere Projekte sein. Ziel ist es, den Bekanntheitsgrad und die Anwendung der NVL-Patientenmaterialien zu erhöhen. Eine Evaluation ist in Vorbereitung.