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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Wie verteilt sich die Zunahme von Depressionsdiagnosen in der Bevölkerung? Prävalenzen selbstberichteter ärztlich diagnostizierter Depression in den repräsentativen Querschnittsstudien „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) der Jahre 2009 und 2012

Meeting Abstract

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  • Julia Thom - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
  • Julia Bretschneider - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
  • Jens Hoebel - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin
  • Ulfert Hapke - Robert Koch-Institut, Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Berlin

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf173

doi: 10.3205/18dkvf173, urn:nbn:de:0183-18dkvf1734

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Thom et al.
Dieser Artikel ist ein Open-Access-Artikel und steht unter den Lizenzbedingungen der Creative Commons Attribution 4.0 License (Namensnennung). Lizenz-Angaben siehe http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Gliederung

Text

Hintergrund: Mehrere gesetzliche Krankenversicherungen berichten eine jährlich steigende Zahl von Depressionsdiagnosen. Querschnittliche Analysen zeigen, dass diese in bestimmten Bevölkerungsgruppen besonders häufig gestellt werden, u.a. bei erwerblosen Personen und Menschen im hohen Alter. Ob diese Gruppen auch den Prävalenzanstieg maßgeblich tragen, ist bisher nicht bekannt.

Fragestellung: Es wird untersucht, inwiefern der Zuwachs an administrativen Depressionsdiagnosen 1) die bekannte Verteilung in der Bevölkerung fortschreibt, verstärkt oder relativiert und 2) durch gleichzeitige Veränderungen der Bevölkerungsstruktur aus den bekannten Risikogruppen statistisch erklärbar ist.

Methode: Es wurden Trendanalysen der bevölkerungsrepräsentativen Querschnittsstudie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA) aus den Jahren 2009 (N=21.262) und 2012 (N=19.294) durchgeführt. Grundgesamtheit der telefonischen Befragung bildete die deutschsprachigen Wohnbevölkerung im Alter ab 18 Jahre, deren Privathaushalt über einen Festnetzanschluss verfügt.

Die ärztliche Diagnose einer Depression in den letzten 12 Monaten wurde durch die Frage erhoben, ob jemals eine Depression oder depressive Verstimmung ärztlicher oder psychotherapeutisch diagnostiziert worden sei und ob diese auch in den letzten 12 Monaten bestanden habe.

Bevölkerungsstrata wurden gebildet nach Angaben der Befragten zu Geschlecht, Alter, Partnerschaft, sozialer Unterstützung, Bildung, Erwerbslosigkeit, Kreistyp und der Anzahl chronischer somatischer Erkrankungen. Trendeffekte wurden mittels logistischer Regressionen ermittelt. Für den Vergleich des unadjustierten und adjustierten Modells wurden durchschnittliche Marginaleffekte berechnet.

Ergebnisse: Die Prävalenz der selbstberichteten ärztlich diagnostizierten Depression steigt von 6,3% in GEDA 2009 auf 8,0% in GEDA 2012 signifikant an (p < 0,001). In allen betrachteten Bevölkerungsgruppen liegt das Risiko in GEDA 2012 höher als in GEDA 2009 (Odds Ratios > 1), in knapp der Hälfte der Strata signifikant. Unterschiede des Trendeffekts zwischen den Strata sind nicht nachweisbar. Werden diese als Kovariaten im Modell kontrolliert, so verringert sich der vorhergesagte Prävalenzanstieg um 17,8% bei Frauen und 7,5% bei Männern, bleibt aber statistisch bedeutsam.

Diskussion: Bevölkerungsrepräsentative Daten reflektieren die Zunahme administrativer Depressionsdiagnosen bei einzelnen Krankenversicherungen, wobei der Anstieg gegenüber den Routinedaten vergleichbar bzw. leicht konservativ ausfällt. Ursachen des zeitlichen Trends können sowohl in Veränderungen der Morbidität aber auch der patientenseitigen Inanspruchnahme oder behandlerseitigen Diagnose- bzw. Kodierpraxis liegen. Für den betrachteten Zeitraum zeigt sich eine Konsolidierung der bestehenden Zusammenhänge der administrativen Prävalenz mit den untersuchten Risikofaktoren bzw. Prädiktoren von Hilfesuch- oder Diagnoseverhalten.

Praktische Implikationen: Aktuelle Misstände in der Versorgung zu Ungunsten einzelner Bevölkerungsgruppen werden möglicherweise fortgeschrieben und erfordern daher Maßnahmen in der Versorgungssteuerung. Erklärungen der Prävalenzentwicklung administrativer Depressiosndiagnosen müssen in anderen Faktoren als einer hinsichtlich der betrachteten Variablen veränderten Bevölkerungsstruktur gesucht werden.