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17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

10. - 12.10.2018, Berlin

Patienten mit Krebs im letzten Lebensjahr: Palliative Leistungen, Krankenhausaufenthalte und Sterbeort

Meeting Abstract

  • Katja Blaschke - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln
  • Kerstin Hermes-Moll - Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen GmbH – WINHO, Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen GmbH – WINHO, Köln
  • Veronika Lappe - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln
  • Peter Ihle - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln
  • Walter Baumann - Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen GmbH – WINHO, Wissenschaftliches Institut der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen GmbH – WINHO, Köln
  • Ingrid Schubert - Universität zu Köln, PMV Forschungsgruppe, Köln

17. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 10.-12.10.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18dkvf167

doi: 10.3205/18dkvf167, urn:nbn:de:0183-18dkvf1672

Veröffentlicht: 12. Oktober 2018

© 2018 Blaschke et al.
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Gliederung

Text

Hintergrund: Onkologische Diagnosen haben einen hohen Anteil unter den palliativ zu versorgenden Patienten [1]. Das Angebot an ambulanten und stationären palliativen Leistungen wurde in den letzten Jahren ausgebaut. 2007 wurde die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV) eingeführt, die sich an Patienten mit komplexem Symptomgeschehen und intensiverem Betreuungsbedarf richtet. Daneben bestehen die allgemeine ambulante Palliativversorgung (AAPV) durch Hausärzte, Pflege- oder Hospizdienste sowie die stationäre allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung. In Hessen wurden SAPV-Verträge seit 2009 geschlossen. Die AAPV wurde im Herbst 2013 in der ärztlichen Gebührenordnung verankert.

Fragestellung: Vor diesem Hintergrund ist es von Interesse, wie sich bei Krebspatienten (hier: Darmkrebs, Frauen mit Brustkrebs, Männer mit Prostatakrebs) im letzten Lebensjahr die Inanspruchnahme der SAPV sowie der stationären palliativen Leistungen über die Jahre entwickelt hat und durch welche Arztgruppen SAPV verordnet wurde. Weitere Fragestellungen zielen auf den Sterbeort und auf Krankenhausaufenthalte in den letzten 90 Tagen vor dem Tod. Die Fragestellungen sind Teil einer Untersuchung zu Behandlungspfaden von Krebspatienten, die vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (Zi) gefördert wurde.

Methode: Deskriptive Analyse auf der Basis der Daten der AOK Hessen von 2006-2014 (ca. 1,4 Mill Versicherte in 2014). Krebspatienten wurden über ICD-10-Codes (Darm C18-21, Brustdrüse C50, Prostata C61) aufgegriffen und intern validiert (1 stationäre Entlassungsdiagnose oder 2 ambulante Diagnosen mit Modifikator G bzw. Z). Untersuchungspopulation sind Krebspatienten, die im Beobachtungsjahr verstorben sind und 360 Tage vor ihrem Tod durchgängig versichert waren. SAPV und stationäre palliative Leistungen (Krankenhaus, Hospiz) werden über EBM und OPS-Codes, sowie Teilfallart erfasst. Die AAPV konnte nicht berücksichtigt werden, da nur die Jahre 2010-2013 einbezogen wurden.

Ergebnisse: In die Studie konnten je nach Beobachtungsjahr (2010-2013) 709-752 Patienten mit Darmkrebs, 492-545 mit Brustkrebs und 601-625 mit Prostatakrebs eingeschlossen werden. Unter allen Krebspatienten steigt zwischen 2010 und 2013 der Anteil mit Inanspruchnahme von SAPV-Leistungen (Darmkrebs: 11,2% auf 17,3%; Brustkrebs: 10,4% auf 15%; Prostatakrebs: 7,6% auf 12,9%). Für das Jahr 2013 zeigt sich, dass ein höherer Anteil an Patienten mit Brust-, Prostata- oder Darmkrebs SAPV-Leistungen in Anspruch genommen hat als eine Palliativstation bzw. ein stationäres Hospiz. Palliativstationen wurden zwischen 2010 und 2013 immer häufiger aufgesucht, insbesondere von Patienten mit Darmkrebs. Ebenfalls zeigt sich bei allen drei Krebserkrankungen ein Anstieg im Anteil der Hospizpatienten. 2013 lag dieser für Patienten mit Darmkrebs bei 5,2%, Brustkrebs 5,5% und Prostatakrebs 3,9%, der relative Anstieg war höher als bei SAPV oder der Palliativstation. SAPV wurde bei allen drei Krebserkrankungen zu über 90% von Hausärzten verordnet. Der Anteil der Patienten mit einem Krankenhausaufenthalt in den letzten 90 Tagen vor dem Tod ging von 2010 mit ca. 80%-83% bis 2013 mit 70%-74% bei allen drei Krebsarten zurück (Darmkrebs: -10,4%, Brustkrebs: -12,7%, Prostatakrebs: -11,7%). Der Anteil im Krankenhaus verstorbener Patienten (2010: 46,5%-50,3%) sank ebenfalls (2013: 41,4%-42,9%).

Diskussion: Die Analyse zeigt eine Zunahme von SAPV-Leistungen. Bei Patientinnen mit Brustkrebs liegen die Steigerungsraten der Inanspruchnahme von Palliativstationen deutlich niedriger, sodass hier evtl. Verlagerungseffekte sichtbar sind. Aufgrund methodischer Unterschiede sind die Ergebnisse nicht mit den Daten von Radbruch et al (2015) [1] vergleichbar, die für die Jahre 2010-2014 einen Anteil von 7,1% Verstorbener mit SAPV im letzten Lebensjahr für Hessen ausweisen. Die Ergebnisse sind vor dem Hintergrund des Aufbaus der SAPV zu bewerten. Mit der Anzahl an Palliativmedizinern war Hessen 2014 führend und mit 4,47 SAPV-Teams pro 1 Mio. Einwohner über dem Bundesdurchschnitt von 3,42 [1].

Praktische Implikationen: Mittels Routinedaten kann die Inanspruchnahme palliativer Leistungen z.B. nach Art der Erkrankung, Zeitpunkt der Erbringung und Dauer kontinuierlich abgebildet und an die Versorger zurückgespiegelt werden. Zusätzlich sind Analysen zum Bedarf erforderlich.

Die Autoren danken der AOK Hessen für die Bereitstellung der Daten.


Literatur

1.
Radbruch L, et al. Palliativversorgung (Modul 3) Überversorgung kurativ – Unterversorgung palliativ? Analyse ausgewählter Behandlungen am Lebensende. Faktencheck Gesundheit. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung; 2015.
2.
Melching H, et al. Palliativversorgung (Modul 2). Strukturen und regionale Unterschiede in der Hospiz- und Palliativversorgung. Faktencheck Gesundheit. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung; 2015.